Beschuss von Odessas Hafen: Russlands zynisches Spiel

Die UN machen in der Ukraine denselben Fehler wie in Syrien: Sie vertrauen auf Russlands guten Willen. Das aber setzt auf Unterwerfung durch Gewalt.

Portrait von Wladimir Putin

Moskau pfeift auf Sympathien Foto: Maxim Shemetov/reuters

Am Freitag unterschrieb Russlands Regierung eine Vereinbarung mit den UN, nach fünf Monaten Krieg endlich wieder ungestörte Getreideexporte aus der Ukraine zuzulassen. „Die Parteien werden keine Angriffe auf Frachter und andere zivile Schiffe und Hafeneinrichtungen vornehmen, die an dieser Ini­tiative teilnehmen“, steht da. Der Hafen Odessa ist einer der teilnehmenden Häfen. Keine 24 Stunden später flog Russland auf den Hafen von Odessa Raketenangriffe.

Klarer kann eine Kriegspartei nicht zeigen, was sie von ihren eigenen Zusagen hält. „Heute früh wache ich im wunderschönen Istanbul auf und fühle mich von Hoffnung beflügelt“, hatte noch am Samstagmorgen der für Humanitäres zuständige UN-Untergeneralsekretär getwittert. Dann schlugen die Raketen ein.

Warum macht Russland das, fragen sich manche Beobachter – verspielt es sich damit nicht Sympathien? Die Antwort lautet: Moskau pfeift auf Sympathien. Russlands Regierung setzt einzig auf Unterwerfung durch Gewalt. Der Beschuss von Odessa ist eine Machtdemonstration. Die Botschaft: Denkt bloß nicht, ihr hättet unsere Hände gebunden, nur weil wir etwas unterschreiben.

Es gibt immer noch Menschen, die einen Friedensschluss mit Russland durch Verhandlungen für möglich halten. Die Raketen von Odessa zeigen wieder einmal, dass dies ein Irrweg ist. Keine Vereinbarung mit dem aktuellen Regime in Moskau ist belastbar.

UN-Vertreter eiern rum

Russlands zynisches Spiel ist bekannt aus den Kriegen in Syrien und dem Donbass 2014/15: Auf eine diplomatische Zusage Moskaus folgt unmittelbar eine militärische Demonstration des Gegenteils, wohl wissend, dass das folgenlos bleibt – die Gegenseite will ja Frieden. Was soll die Gegenseite, in diesem Fall die Ukraine, denn machen? Den Deal kündigen und ihr Getreide wieder verrotten lassen? Natürlich nicht.

Der Schönheitsfehler des Istanbuler Deals: Bis die vereinbarte Kontrollstruktur steht, kann Russland problemlos die teilnehmenden ukrainischen Häfen in Schutt und Asche legen. Danach übrigens auch. Es müsste schon jemand die russische Schwarzmeerflotte versenken, um das zu verhindern. Das sieht die Vereinbarung aber nicht vor.

Die UN machen in der Ukraine denselben Fehler wie in Syrien: Sie handeln humanitäre Vereinbarungen aus, aber vertrauen auf Russlands guten Willen. Und wenn Russland keinen guten Willen zeigt, reagieren sie nicht. Auch in Odessa eiern UN-Vertreter jetzt herum. Der nächste Bettelversuch an die Adresse Putins, aus der Güte seines Herzens heraus doch bitte das eine oder andere Kriegsverbrechen zu unterlassen, kommt bestimmt.

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Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.

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