Nur scheinbare Harmonie beim Mercosur-Gipfel

Die südamerikanische Wirtschaftsgemeinschaft ist sich weiter uneins im Umgang mit China

Aus Buenos Aires Jürgen Vogt

Beim Gipfeltreffen der Staatsoberhäupter der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur hat Uruguays Präsident sein Vorhaben eines Freihandelsabkommens mit China verteidigt. „Wir wollen, dass alle Mitgliedstaaten des Mercosur daran teilnehmen, aber wenn nicht, machen wir es alleine“, sagte Lacalle Pou in der paraguayischen Hauptstadt Asunción. Uruguay werde demnächst mit den Verhandlungen beginnen.

Damit hatte Lacalle Pou schon vor dem Gipfel für erheblichen Streit gesorgt. Gemäß der Mercosur-Statuten dürfen die Mitgliedstaaten solche Abkommen nur gemeinsam und im Konsens aushandeln. Dennoch war der bei dem Treffen erwartete Schlagabtausch ausgeblieben. Paraguays Präsident Mario Abdo gab den moderaten Gastgeber. Argentiniens Präsident Alberto Fernández versuchte gar eine Annäherung. „Wenn es die Möglichkeit für ein Abkommen mit China gibt, warum analysieren wir es nicht gemeinsam“, sagte Fernández, warnte aber zugleich davor, „nach Einzellösungen zu suchen“.

Brasiliens Präsident Jair Bolosaro war gar nicht angereist und schickte stattdessen eine unverbindliche Videobotschaft. Wie Lacalle Pou Verhandlungen mit China führen will – ohne einen Bruch mit den übrigen drei Mitgliedstaaten der Wirtschaftsgemeinschaft zu riskieren, blieb auf dem Treffen offen. Eine von ihm angemahnte Flexibilisierung der Statuten wurde weder diskutiert noch in der Abschlusserklärung erwähnt, weshalb Lacalle Pou seine Unterschrift verweigerte.

Trotz Abwesenheit konnte sich Bolsonaro mit seinem Vorschlag nach einer Liberalisierung der Außenzölle auf Importe aus Nicht-Mercosur-Staaten durchsetzen. So wird die Obergrenze des Einfuhrzolls von 14 auf künftig 10 Prozent gesenkt. Die neue Außenzollverordnung ist jedoch mit derart vielen Ausnahmen gespickt, dass auch der protektionistisch ausgerichteten Regierung aus Buenos Aires eine Zustimmung leicht fiel.

Die scheinbare Gipfelharmonie war den kommenden Präsidentschaftswahlen in Brasilien geschuldet. Zwar war es Zufall, dass Brasiliens Arbeiterpartei PT just an diesem Donnerstag den ehemaligen Präsidenten Lula da Silva zu ihrem Kandidaten bei der im Oktober anstehenden Präsidentschaftswahl ernannte. Sollte Lula die Wahl jedoch gewinnen, werden auch im Mercosur die Karten neu gemischt werden. Brasilien ist das Schwergewicht. Zum einen steht Lula für eine Stärkung des Mercosur. Zum anderen wäre mit Bolsonaro das derzeit größte Hindernis bei der Umsetzung des Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur aus dem Weg geräumt.