Dürre in Deutschland: Gießt Bäume statt Straßen

Mancherorts wird der Asphalt bei großer Hitze gewässert, um ihn zu kühlen. Die Straßenbäume dürfen verdursten. Ein Skandal.

Eine Nahaufnahme eines vertrockneten Baumes

Wer gießt mich? Armer Berliner Straßenbaum Foto: Dirk Sattler/imago images

Wegen der „Rekordhitze“ werden jetzt Flugbahnen und Straßen mit Wasser besprüht, sogar mit Salz bestreut, was kühlen soll, damit der Asphalt nicht aufweicht, damit die Straßen – Horror Vacui, Angst vor der Leere – nicht gesperrt werden müssen, kein Auto mehr fährt, kein Flugzeug mehr fliegt.

Für die Autofahrenden (aber auch für das Megaspektakel Tour de France) ist alles recht, damit die Ego-Mobilität, die Rekord-Mobilität, nicht eingeschränkt werden muss, damit dem erweiterten Selbstobjekt der Autoadepten (lies: Autodeppen) der Teer nicht an den Reifen klebt, sie weiter spritrabattiert und tempolimitlos ihrem Auto-Ich frönen können. Fahren. Fahren. Fahren. Um ja auch sicherzugehen, dass die Klimakatastrophe kommt.

Derweil verdursten schon mal die Bäume an den Straßen. Die Feuerwehr, zumindest in Berlin, wird nicht eingesetzt. Es sei nicht zielführend. Klar, wenn man mit viel Atü eine Wasserkaskade auf die ausgetrocknete Erde schießt, fließt das H2O umgehend in den Gulli, nicht in den Boden.

Bleiben nur solche Leute, Ro­man­ti­ke­r:in­nen vermutlich, wie dieser Mann auf dem Foto und ich, die – er mit Schlauch, ich mit Eimern – den verdurstenden Bäumen ein paar Liter Wasser geben. Geben wollen. Wir wünschen es uns so sehr, dass es bei den Wurzeln ankommt. Auf dass das Leben weitergeht.

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Ich habe zwei Holländische Linden adoptiert, die direkt vor meinem Berliner Fenster stehen in der Straße, wo ich wohne. Auf „Gieß den Kiez“ gehören sie mir. Ich bin dafür verantwortlich, dass sie auch nächstes Jahr noch leben. Es geht ihnen, da sie ein „Standalter“ von 42 Jahren haben, noch einigermaßen, laut „Straßenbäumeplan“.

Das kann man von den jungen „Säulenförmigen Spitzahornen“, den „Gefülltblühenden Rosskastanien“, den „Resista Ulmen New Horizon“, die drei Querstraßen weiter nördlich stehen, nicht sagen. Manchmal nehme ich einen Fünf-Liter-Kanister voll Wasser und fahre mit dem Fahrrad zu einem von ihnen. Fünf Liter! Damit will ich die Welt retten. Bei mir ist so ein Berliner Straßenbrunnen, da oben ist keiner.

Wenn ich wasserpumpend am Brunnen stehe, fühle ich mich alleingelassen. Was macht die da? Leute führen ihre Hunde zwischen den Bäumen aus, lassen sie an die Stämme pissen und kacken und gucken, als wären sie nicht da. Wenn die Eimer voll sind, trage ich sie zu meinen Linden und schütte sie aus. Aus Mitleid gieße ich die Nachbarbäume mit. Vor allem dem an der Straßenkreuzung geht es schlecht. Er hat sich nie von den vorherigen Dürresommern erholt.

Warum, wer ein Auto anmeldet, nicht auch einen Baum adoptieren muss, verstehe ich nicht. Was ist so schwer daran zu begreifen, dass man auf Asphalt nicht entspannen kann? Im Schatten eines Baumes sehr wohl.

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Seit 2002 bei der taz, erst im Lokalteil, jetzt in der Wochentaz. 2005 mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet für die Reportage „Schön ist das nicht“, 2011 wurde die Reportage „Die Extraklasse“  mehrfach prämiert. 2021 erschien ihr Roman "Brombeerkind" im Ulrike Helmer Verlag. Es ist ein Hoffnungsroman. Mehr unter: www.waltraud-schwab.de . Auch auf Twitter. Und auf Instagram unter: wa_wab.un_art

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