Zinserhöhung der EZB: Richtiger Schritt, aber mit Risiko

Die Zinserhöhung war nötig, um den Euro stabil zu halten. Zugleich besteht aber die Gefahr, dass sie die sowieso schon gebeutelte Wirtschaft bremst.

Ein Sonnenblumenfeld, dahinter das Gebäude der EZB

Am Donnerstag erhöhte die EZB den Leitzins auf 0,5 Prozent Foto: Michael Probst/ap

Werte sind eine Frage des Glaubens. Das gilt auch für materielle Werte. Wer, zum Beispiel, Dutzende Mil­lio­nen für ein Gemälde ausgibt, glaubt, dass das Kunstwerk die Summe wert ist und man es zu diesem oder einem höheren Preis weiterverkaufen kann. Die Notierungen von Aktien oder Währungen spiegeln den Glauben der Händ­le­r:in­nen am Markt wider, welches der momentan angemessene Wert des Unternehmens beziehungsweise der Kurs des Geldes sei.

So gesehen musste die Europäische Zentralbank (EZB) jetzt handeln. Denn die am vergangenen Donnerstag verkündete Zinserhöhung um 0,5 Prozent berührt die Frage der Glaubwürdigkeit.

Bei 8,6 Prozent Inflation im Euroraum nichts zu tun ist keine Option. Die plausible Begründung dafür findet sich in Artikel 127 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. „Geldwertstabilität ist das vorrangige Ziel“ der Zentralbank, heißt es dort. Bei 8,6 Prozent Entwertung im Jahresvergleich ist der Geldwert aber nicht stabil, Ende der Durchsage.

Wenn die Notenbank jetzt nicht gehandelt hätte, kämen ernsthafte Zweifel daran auf, ob sie wirklich ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen und die Kaufkraft der Währung sichern will. Weil viele Börsenhänd­le­r:in­nen dann ihren Glauben an die Politik der EZB verlören, galoppierte die Inflation munter weiter und nähme möglicherweise noch zu.

Importe werden billiger

Aber handeln EZB-Präsidentin Christine Lagarde und ihre Kol­le­g:in­nen ökonomisch betrachtet richtig? Manche Kri­ti­ke­r:in­nen sagen, die aktuelle Inflation lasse sich durch die Zinserhöhung gar nicht bremsen. Denn die Ursachen des Preisauftriebs lägen vor allem in den Lieferproblemen auf den Weltmärkten und den Kostensteigerungen für importierte Energie, doch auf diese Faktoren habe die Geldpolitik der EZB keinen Einfluss.

Zumindest das zweite Argument trifft aber nicht zu. Denn als Folge der Zinserhöhung steigt der Kurs des Euro im Vergleich zum Dollar, wodurch sich die in US-Währung abgerechneten Energieimporte verbilligen.

Ein weiteres Gegenargument lautet, steigende Zinsen verschärften die Schuldenlast, die Euromitglieder wie Italien erdrückten. Einerseits zutreffend, andererseits hat die EZB ein neues Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen entwickelt, um im Notfall eine neue Eurokrise zu verhindern.

Trotzdem geht die EZB jetzt ein hohes Risiko ein. Die Zinserhöhung bremst ja die Wirtschaft insgesamt. Und das ist das Gegenteil dessen, was in der aktuellen Lage ratsam erscheint – schließlich geht das Wachstum sowieso schon zurück. Bleibt der Glaube, dass die Notenbank die wirtschaftliche Lage mit moderaten Zinserhöhungen einigermaßen manövrieren und zu große Schäden vermeiden kann.

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Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.

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