Reform der Ersatzfreiheitsstrafe: Sozialarbeit statt Kriminalpolitik

Justizminister Buschmann will sinnvollerweise die Ersatzfreiheitsstrafe halbieren. Was fehlt, sind konkrete Hilfsangebote für sozial Deklassierte.

Eine Insel mit einer Festung

Aus der Zeit gefallen: Blick auf die ehemalige Gefängnisinsel Alcatraz in der Bucht von San Francisco Foto: iamgo

Justizminister Marco Buschmann wird sicher Erfolg haben. Sein Vorschlag wird mit mathematischer Logik zu einer Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafe führen. Wenn die Idee umgesetzt wird, dass für einen Tagessatz nicht bezahlter Geldstrafe nur noch ein halber Tag im Gefängnis abgesessen werden muss, dann reduziert sich die Zahl der Hafttage quasi automatisch auf die Hälfte.

In der Bevölkerung dürfte das durchaus auf Zustimmung stoßen. Denn auch für einen armen Menschen ist ein Tag im Gefängnis deutlich schlimmer als ein Geldstrafen-Tagessatz von zum Beispiel 15 Euro. Außerdem hat das Strafgericht ja gerade keine Gefängnisstrafe verhängt, sondern auf die Freiheitsstrafe verzichtet.

Das Problem der Ersatzfreiheitsstrafe wird mit Buschmanns Plan aber nur halbiert. Aus der Welt geschafft wird es noch nicht. Auch die immer wieder geforderte Entkriminalisierung des Schwarzfahrens wird das Problem nicht lösen. Denn wenn das Schwarzfahren nur eine Ordnungswidrigkeit wäre, wie oft gefordert, dann müsste statt der Geldstrafe eben ein Bußgeld bezahlt werden. Und wer das Bußgeld nicht bezahlen kann, würde eben wieder im Gefängnis landen.

Das Problem ist doch, dass vor allem sozial Deklassierte in der Ersatzhaft landen. Und dieses Problem kann nicht von der Justiz allein gelöst werden. Wer keine Freunde hat, die in der Not aushelfen können, und wer es noch nicht einmal schafft, sich zum Rasenmähen bei der Caritas zu melden, ist in der Regel nicht böswillig, sondern verelendet und mit allzu vielem überfordert.

Der Staat sollte solche Lagen zum Anlass nehmen, den Betroffenen mehr und passendere Hilfsangebote als bisher zu machen. Hier geht es vor allem um Sozialarbeit und nicht um Kriminalpolitik. Die Ersatzfreiheitsstrafe sollte aber nicht abgeschafft werden. Denn das würde nicht zuletzt den gewieften Steuerhinterziehern und Anlagebetrügern helfen, die sich flugs arm rechnen und so um ihre Geldstrafen drücken würden. Geldstrafen gibt es schließlich nicht nur für Arme, sondern in allen gesellschaftlichen Schichten.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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