Vor dem Viertelfinale: Österreichs Zwölf

Deutschlands nächste Gegnerinnen sind im deutschen Fußball gut vertreten. Viele Österreicherinnen kicken in der Bundesliga, die meisten in Frankfurt.

Drei österrische Fußballerinnen jubeln, in der Mitte hält Barbara einen Stuhl hoch

Jubeln mit Stuhl: Auch im Feiern sind die Österreicherinnen Weltklasse Foto: Tarantino/ap

Vermutlich hat es in Deutschland noch nie so eine Freude über einen österreichischen Fußballerfolg gegeben. Der Grund dafür ist nicht gerade altruistischer Natur: Der erneute EM-Viertelfinaleinzug der österreichischen Außenseiterinnen wird als deutscher Erfolg gelesen.

„Ein totales Statement für die Frauenfußball-Bundesliga“ sei das anstehende Nachbarschaftsduell am Donnerstag (21 Uhr, ARD), hob die Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg in ihrer ersten Reaktion hervor. „Eine Visitenkarte für unsere Bundesliga“ nennt Siegfried Dietrich, Sportdirektor der Fußballerinnen von Eintracht Frankfurt, die Begegnung gegenüber der taz. „Und Österreich ist dabei mit zwölf Spielerinnen aus unserer ersten Liga ein herausragender Faktor!“

Vier davon tragen das Eintracht-Trikot. Die laufstarke Mittelfeldspielerin Barbara Dunst zum Beispiel. Die deutsche Freude über den österreichischen Erfolg „haben wir schon mitbekommen“, erzählt sie der taz. Sehr nett finde sie das. Und sie freue sich auch über die gute Stimmung der Deutschen bei dieser EM. „Wir kämpfen alle um das Gleiche, um mehr Anerkennung für den Frauenfußball.“ Die jeweiligen Erfolge könnten positive Effekte für die Bundesliga haben. „Und wenn es nur 3 bis 4 Prozent mehr Zuschauer sind, dann bewegt sich in jedem Fall etwas. Es braucht auch Zeit und Geduld.“

Dietrich, der auch Vorsitzender im DFB-Ausschuss Frauen-Bundesligen ist, sieht den Moment gekommen, ganz laut zu trommeln. Er sagt, die EM sowie die internationale Entwicklung geben Anlass dafür, „manche Negativschlagzeilen der Vergangenheit als gesammelte Erfahrung abzuhaken“. Kritik hatte es gerade in Deutschland etwa am lahmen Engagement des DFB für seine Liga gegeben. Selbst Karl-Heinz Rummenigge vom FC Bayern München schaltete sich ein. Der deutsche Frauen­fußball müsse „schleunigst höherschalten“.

Eigenständige, vom DFB unabhängige Strukturen müssten in Betracht gezogen werden. Englische TV-Verträge, welche der Liga dort gut 18 Millionen Euro in drei Jahren einbringen, während hierzulande pro Saison bloß 800.000 Euro an die Vereine ausgeschüttet werden, haben die Nervosität verstärkt. In Spanien wurden Zuschauerrekorde gefeiert, in Frankreich wieder mal der Gewinn der Cham­pions League (Olympique Lyon).

Künftig bessere Vermarktung der Frauen-Bundesliga

Ist mit dem unerwartet erfolgreichen Auftreten der deutschen Fußballerinnen bei der EM alles wieder gut? Siegfried Dietrich weist auf parallele Bewegungen hin. Der DFB sei gerade dabei, mit seiner neuen DFB-GmbH und dem für die Vermarktung zuständigen Geschäftsführer Holger Blask, die Liga-Zentralvermarktung und auch die Vermarktung des DFB-Pokals der Frauen neu zu dimensionieren. Blask wird seine Erfahrungen aus dem Männerbereich, der DFL, einbringen.

Und der 65-jährige Dietrich spricht nicht zum ersten Mal von neuen Dimensionen, welche die Fußballerinnen erreichen werde. Schon 2009, nach einem Länderspielzuschauerrekord, zeigte sich Dietrich optimistisch, dass Frauenfußball in naher Zukunft zur Fernsehsportart Nummer zwei hinter dem Männerfußball werde. Jetzt sagt er, je besser das deutsche Team bei der EM abschneide, umso größer sei das Vermarktungspotenzial der Ligaspiele. Er hat dabei auch sein kurzfristiges Ziel im Blick, zum Auftaktspiel in die neue Saison für einen neuen Zuschauerrekord in der Bundesliga zu sorgen. Die Partie wird nämlich im großen Stadion, wo die Männer der Eintracht zu Hause sind, ausge­tragen.

Die österreichische Nationalspielerin Barbara Dunst ist eine Kennerin der Bundesliga. In ihrem ersten Jahr ist sie 2017 als 20-Jährige mit Bayer Leverkusen gleich abgestiegen, es folgten zwei Jahre Abstiegskampf mit dem MSV Duisburg, und ihr dritte Saison mit Eintracht Frankfurt krönte sie mit der Qualifikation für die Cham­pions League. Ihr Aufstieg in der Liga ist von einer steilen persönlichen Entwicklung begleitet gewesen. Das ist bei vielen der österreichischen Legionärinnen der Fall.

Gute Stimmung unter den Spielerinnen

Trotz der enormen Dynamik in England und Spanien sei die Bundesliga immer noch eine der stärksten Ligen, sagt Dunst. Bei ihren Stationen hebt sie aber vor allem ihren aktuellen Arbeitgeber hervor. „Bei Eintracht Frankfurt hat sich einiges getan. Wir sind nach der Fusion wirklich ein Teil des Vereins geworden. Die Fans werden motiviert zu uns zu kommen. Am letzten Spieltag waren 4.500 Zuschauer da. Dieses Engagement würde ich mir für alle Vereine wünschen.“

Solche Zwischentöne hört man von Siegfried Dietrich derzeit nicht. Er sagt, er erwarte am Donnerstag bei der Begegnung zwischen Deutschland und Österreich „ein mediales Spektakel mit hohen Einschaltquoten in beiden Ländern, das nachwirken wird und neue Fans für unsere Ligen generiert“.

Auffälligerweise verbindet beide Teams, dass sie bei diesem Turnier auch von der guten Stimmung unter den Spielerinnen leben und mit diesem Schwung vermeintlich stärkere Gegnerinnen überrumpelt haben. Egal aber wer am Ende die beste Laune haben wird, eine Entscheidung ist von den deutschen Verantwortlichen vorab gefällt worden: Die Bundesliga hat schon jetzt gewonnen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.