Reform von Strafgesetzen: Weniger Entzug hinter Gittern

Die Suchtkliniken für Straftäter sind überlastet. Justizminister Marco Buschmann will deshalb den Zugang erschweren.

Eine Reihe von vergiotterten Fenstern

Vergitterte Fenster einer Justizvollzugsanstalt Foto: biky/imago

Karlsruhe taz | Justizminister Marco Buschmann (FDP) will den Zugang von Strafgefangenen zum Drogenentzug erschweren, um Suchtkliniken zu entlasten und um die Ressourcen auf die geeigneten Fälle zu konzentrieren. Das sieht ein Gesetzentwurf vor, den das Justizministerium an diesem Dienstag veröffentlichte.

Buschmanns Vorschlag ist Teil eines Pakets zur Reform des Sanktionenrechts, das schon seit Anfang Juli kursiert. Wichtigster Punkt des Pakets ist die Reduzierung der Ersatzfreiheitsstrafe: Pro Tagessatz einer nicht bezahlten Geldstrafe soll nur noch ein halber (statt ein ganzer) Tag im Gefängnis verbüßt werden. Für Aufsehen sorgte am Wochenende auch Buschmanns Vorhaben, bei frauen- und queerfeindlichen Motiven des Täters im Strafgesetzbuch ausdrücklich eine Strafschärfung anzuordnen.

Entlassungen aufgrund von Überlastung

Kaum öffentliche Aufmerksamkeit fand bisher jedoch Buschmanns Plan, den Zugang zum Drogen- und Alkohol­entzug hinter Gittern neu zu regeln. Der Justizminister reagiert damit auf Hilferufe der Bundesländer. So hat sich die Zahl der außerhalb des Gefängnisses im Drogenentzug untergebrachten Straftäter von rund 2.000 (im Jahr 2002) auf über 4.600 (im Jahr 2020) mehr als verdoppelt. Nach Darstellung Buschmanns ist dies aber nicht Ausdruck wachsender Hilfsbedürftigkeit, sondern von Fehlanreizen. Die Suchtkliniken beschweren sich, dass immer häufiger Delinquenten ohne Therapiebereitschaft die Ressourcen blockieren und das Therapieklima gefährden. In Baden-Württemberg sind die Entzugseinrichtungen für Straftäter so überlastet, dass in der ersten Jahreshälfte bereits zwanzig Verurteilte vorläufig aus der Haft entlassen werden mussten, weil ihnen nicht binnen drei Monaten ein Entzugsplatz zugewiesen werden konnte.

Waren 1995 rund 80 Prozent der Entzugsinsassen bei der Verübung ihrer Straftat schuldunfähig, sind es 2017 nur noch rund 40 Prozent – ein Indiz dafür, dass die Entzugsinsassen im Schnitt deutlich weniger suchtkrank sind als früher. Buschmann macht dafür eine zu großzügige Rechtsprechung verantwortlich. Viele Strafgefangene halten die Unterbringung in einer Entzugseinrichtung für weniger belastend als den Aufenthalt im normalen Gefängnis.

Außerdem gilt die Möglichkeit, schon nach der Hälfte der Strafe aus dem Entzug entlassen zu werden, als wichtiger Anreiz; beim Gefängnisvollzug ist die Entlassung frühestens nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe möglich. In der Praxis werden zwar auch die Entzugsinsassen meist erst nach mehr als zwei Drittel der Strafe entlassen – um so länger blockieren sie dann aber die raren Entzugsplätze.

Gesetz soll im Herbst auf den Weg gebracht werden

Buschmann greift nun Vorschläge auf, die eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe Anfang des Jahres veröffentlichte. So soll die verübte Straftat künftig „überwiegend“ Folge des Hangs zum Drogenkonsum sein. Auch soll es nicht mehr genügen, dass der Entzug als Behandlungsziel mit „hinreichender“ Wahrscheinlichkeit erreicht wird. Künftig sollen „tatsächliche Anhaltspunkte“ hierfür erforderlich sein. Vor allem aber soll die Entlassung auch im Drogenentzug erst nach zwei Dritteln der Strafe möglich sein.

Bis Ende August können Verbände zu Buschmanns Gesetzentwurf Stellung nehmen. Im Herbst soll er im Kabinett auf den Weg gebracht werden. Dann wird der Bundestag beraten.

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