Bericht prangert Polizei-Versagen in Uvalde an

In den USA stellt ein Ausschuss „systematisches Versagen“ der Polizei fest. Bei einem Massaker am 24. Mai in einer Schule in Texas hätten Leben gerettet werden können

Angehörige am Sonntag bei der Veröffent­lichung des Unter­suchungs­berichts in Uvalde, Texas Foto: Eric Gay/ap

Aus New York Dorothea Hahn

Ganze 77 Minuten vergingen, bevor die Polizei am 24. Mai in der texanischen Kleinstadt Uvalde das Massaker in der vierten Klasse der Robb-Grundschule beendete. Knapp acht Wochen später hat am Sonntag ein Untersuchungsbericht des texanischen Parlaments den Einsatzkräften „vielfaches systemisches Versagen“, „Chaos“ und „Führungsschwächen“ sowie „ausgesprochen schlechte Entscheidungsfindungen“ bescheinigt.

Die Abgeordneten kamen zu dem Ergebnis, am 24. Mai hätten möglicherweise Leben gerettet werden können, wenn die Polizei sich an die Regeln für „aktive Schützen“ gehalten hätte. Der Bericht kam zustande, nachdem die texanischen Abgeordneten Dutzende von Interviews geführt und zahlreiche Videoaufzeichnungen des Massakers gesichtet hatten, darunter solche von Schulkameras und von Bodykameras beteiligter Polizisten.

Die Dokumente zeigen, dass sich am 24. Mai sowohl auf ­schulischer als auch auf polizeilicher Seite ein Versagen an das andere reihte. Entgegen den Vorschriften waren die Türen zur Schule und zu den Klas­sen­zimmern nicht abgeschlossen. Es gab keine polizeiliche Einsatzleitung. Die Polizisten der verschiedenen Einheiten waren nicht miteinander koordiniert.

Ein Video zeigt einen Polizisten, der mitten im Einsatz auf seinem Handy Text eingibt. Auf einem anderen Video ist ein Polizist zu hören, der ungeduldig fragt: „Was machen wir jetzt?“. Ein Schulpolizist ist zu sehen, der an seinem Schlüsselbund herumfingert und nicht den passenden Zugang findet. Polizeiliche Schutzschilde werden erst nach minutenlanger Wartezeit am Tatort angeliefert und kommen selbst dann nicht zum Einsatz.

Unterdessen versucht der örtliche Polizeichef telefonisch, mit dem 18-jährigen Todesschützen in Kontakt zu kommen und zu verhandeln. Dabei ist wegen der Notrufe längst klar, dass es sich nicht um eine Geiselnahme, sondern um eine aktive Schießerei handelt. Eine angeschossene Lehrerin – so viel weiß die Polizei zu dem Zeitpunkt bereits – lebt zu dem Zeitpunkt noch. Ein Kind hat telefonisch die korrekte Nummer des Klassenraums übermittelt.

Am Ende des 77 Minuten langen Martyriums, als die Einsatzkräfte nicht auf Initiative der örtlichen Polizei, sondern wegen des Eingreifens von Grenzpolizisten das Klassenzimmer stürmten, sind 19 Kinder und zwei Lehrerinnen tot. Als die Polizei den Schützen erschießt, hat er bereits mehr als 140 Schüsse abgegeben.

Als die Polizei den Schützen erschießt, hat er bereits mehr als 140 Schüsse abgegeben

Seine Waffen hatte der kürzlich 18 gewordene Täter wenig zuvor legal erworben. Es gab Warnsignale, wie den Verdacht auf Suizidabsichten. Aber kein geltendes texanisches oder US-amerikanisches Gesetz hätte ihn an dem Kauf hindern können.

Das Chaos in Uvalde – auch das ist ein Ergebnis des parlamentarischen Untersuchungsberichtes – ist keine Ausnahme. Nach Angaben des texanischen Republikaners Dustin Burrows wenden zahlreiche andere Gemeinden in Texas „dieselben Systeme“ an wie Uvalde. Inzwischen ist in Uvalde der Polizeichef Mariano Pargas vom Dienst suspendiert worden. Was mit den 376 anderen an dem Einsatz beteiligten Polizisten geschieht, ist noch offen.

Unterdessen gab es am Sonntag in den USA weitere Massaker: Unter anderem erschoss ein Mann in einem Einkaufszentrum in einem Vorort von Indianapolis drei Kunden. Ein bewaffneter Passant tötete daraufhin den Schützen. Der örtliche Polizeichef Jim Ison nannte den Passanten den „echten Helden des Tages“.