Einsatz der FDP für Verbrennungsmotor: Ökopartei, offen für Technologie

Schon 1971 forderten Teile der FDP Umweltschutz vor Gewinnstreben. Heute bewahrt sie lieber die taufrische Technologie des Verbrenners.

Eine Tankanzeige eines Elektroautos

Mit diesem neumodischen Zeugs wie Elektromotoren muss man ja auch vorsichtig sein Foto: Imago

Vor einiger Zeit war ich bei einer Veranstaltung im Bundestag. Ich verließ das Seminar mit der Ricola-Frage im Kopf: Na, wer hat’s erfunden? „Umweltschutz hat Vorrang vor Gewinnstreben und persönlichem Nutzen.“

Sie haben es natürlich erraten: Das Zitat stammt von der Freien Demokratischen Partei, aus ihren „Frei(!)burger Thesen“ von 1971. Damals wollten die Öko-Liberalen schon, was heute „Ende Gelände“ fordert. Außerdem war damals ein FDP-Ministerialrat im Innenministerium, Peter Menke-Glückert, praktisch der Erfinder des behördlichen Umweltschutzes. Immer wichtig war für diese JüngerInnen und Älteren der freien Marktwirtschaft: Innovation, Technologie, Investitionen.

Aus dem Innenministerium entstand 1986 das Bundesumweltministerium. Leider nie mit einem liberalen Minister. 51 Jahre nach Freiburg hat die Partei ihr Öko-Image angepasst. Klar: Schließlich redet auch die SPD nicht mehr von Sozialismus und die CDU nicht mehr vom Christentum. Für die Liberalen heißt Freiheit jetzt: kein Tempolimit. Fairness heißt: Tankrabatt auch für den Millionär. Gewinnstreben ist der Grundpfeiler. Und Innovation heißt: Wir sind für Artenschutz – und sichern den Pensionsanspruch für alte und überholte Techniken, die ohne uns ins Museum wandern würden.

Das ist die ideologiefreie und „technologieoffene“ Umweltpolitik der Zukunft, immer bereit zum Erhalt des Bewährten. Verkehrsminister Volker Wissing von der Ökopartei sagte jedenfalls zum Verbot des Verbrennungsmotors bis 2035: „Die Regierung will Klimaneu­tralität technologieoffen erreichen und nicht zu einem frühen Zeitpunkt Technologien ausschließen, deren Bedeutung man in Zukunft heute noch nicht abschließend beurteilen kann.“

Schluss mit dem Fortschrittsterror!

Ja, ja, diese neue Technologie des Verbrennungsmotors ist tatsächlich noch ganz frisch und unerforscht: Sie kam erstmals 1863 auf die Straße, steckt also praktisch noch in den Kinderreifen. Es ist gar nicht abzusehen, welche Bedeutung diese Maschine in Zukunft noch haben kann. Mit diesem neumodischen Zeugs wie Elektromotoren muss man ja auch vorsichtig sein. Deshalb nutzen wir auch sonst lieber die gute alte mechanische Schreibmaschine als diesen neumodischen Computer mit Textverarbeitung. Wir schicken lässige Brieftauben statt unzuverlässiger Smartphone-Nachrichten. Wir knöpfen uns die Jacke zu, weil uns dieser Hightech-Reißverschluss überfordert, wenn wir mit der Dampflok zur Arbeit fahren. Wir nehmen gegen die Lungenentzündung lieber Kräutertee als Antibiotika. Und wir fragen den Chirurgen vor der Operation, ob das mit dem minimalintensiven Eingriff wirklich gut ist oder ob wir nicht offen sein sollten für eine klaffende Wunde im Bauchraum.

Schluss mit diesem Fortschrittsterror! Nicht alles, was neu ist, ist auch gut. Wir sollten ein bisschen dankbar sein: Wenn jemand wirklich die Um-Welt verändert hat, dann waren es die Dampfmaschine und ihr kleiner wilder Bruder: der Verbrennungsmotor.

Deutschland ist nicht zuletzt dank der Innovationskraft der FDP das Land der Ideen, Tüftler und Erfinder. Und da muss man technologieoffen sein und bleiben, da haben Wissing und seine MitwissingerInnen ganz recht. Wir beenden doch die Entwicklung einer Technologie nicht einfach, nur weil die sich als zu teuer, zu umständlich, zu gefährlich oder zu öko-schweinisch herausgestellt hat! Nein, nein, wir füllen schließlich die Zähne unserer Kinder weiter mit quecksilberhaltigem Amalgam. Wir spritzen weiter DDT auf unsere Gurken. Wir fracken uns fröhlich durchs Grundwasser. Wir tun Blei ins Benzin und später in unser Blut. Wir verbieten keine Drogen oder Waffen, denn wer weiß, wozu die nochmal gut sein könnten.

Und wenn jemand Menschen klonen will oder Kinder mit drei Köpfen schick findet – wir sollten keine Technologien ausschließen, deren Bedeutung man heute noch nicht abschließend beurteilen kann. So viel Offenheit für die Zukunft gehört zu einer liberalen Welt.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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