Sommerserie Nah am Wasser: Kaltes klares Wasser

Rechenaufgabe: 26 Grad in Berlin, die Autorin hat beim Verfassen dieses Textes drei Liter Wasser getrunken. Wie lang hat das Schreiben gedauert?

Warum nur Wasser? Foto: Magnus Ragnvid

BERLIN taz | Was trinken Sie? Ich trinke Wasser. Kalt oder warm, mit Sprudel oder ohne, egal; auch kochend heiß durch Kaffee gefiltert oder mal mit einem Teebeutel aromatisiert (meist Kamille) und im Sommer gern mit Eis, Minze und einem Spritzer Zitronensaft drin. Aber das kriegt man hier leider nur selten. Es ist in Berlin manchmal gar nicht so einfach, Was­ser­trin­ke­r*in zu sein.

Überall Wasser Da kann man nicht heulen, Seen gibt es genug in der Stadt und drumherum in Brandenburg. Und überhaupt: Berlin liegt am Fluss, die Spree fließt mittendurch und ganz im Westen dann die Havel. Wasserwerke säumen ihren Verlauf, und weil Berlin am Wasser liegt, ist die Trinkwasserversorgung auch in Dürre­sommern etwas unkomplizierter als anderswo.

Und der Klimawandel? Was bedeutet die Wasserlage für Berlin – gerade in Zeiten des Klimawandels? In unserer diesjährigen ­Sommerserie widmen wir uns dem Wasser in all seinen Facetten: Unsere Autor*innen sind losgezogen, um herauszufinden, warum Brunnenbauer immer tiefer bohren müssen, um noch an Grundwasser zu kommen. Wir statten der Berliner Hausbootszene einen Besuch ab und checken, wo man von Motorbooten nicht so schnell vom Stand-up-Paddling-Board geworfen wird.

Nachlesen: Alle Folgen online unter taz.de/berlin/wasser. (taz)

Dabei ist, das vorab, das Wasser hier eigentlich ziemlich gut, vom Leitungswasser rede ich jetzt. Das Berliner Trinkwasser hat eine hohe Qualität, ist meist kühl, immer klar, nicht gechlort und auch nicht teuer. Als Was­ser­trin­ke­r*in ist man deshalb gerade jetzt im Sommer gut beraten, stets eine Flasche davon dabei zu haben (die man mit etwas Glück an mittlerweile fast 200 Trinkwasserbrunnen in Berlin kostenlos nachfüllen kann). Denn sonst – und das ist der erste Grund, warum es manchmal gar nicht so leicht ist, Was­ser­trin­ke­r*in zu sein – kann's schnell teuer werden.

In meinem Neuköllner Späti zum Beispiel kostet das billigste Bier 70 Cent, die billigste Flasche Wasser 1,20 Euro. Das ist insofern merkwürdig, als Bier zu fast 95 Prozent aus Wasser besteht. Gut, das Wasser – meist auch noch in der kleinen Wegwerf-Plastikflasche, die ich eigentlich gar nicht haben will – wird als Mineralwasser verkauft und ist deshalb, der deutschen „Verordnung über natürliches Mineralwasser, Quellwasser und Tafelwasser“ entsprechend, „von ursprünglicher Reinheit und gekennzeichnet durch seinen Gehalt an Mineralien, Spurenelementen“.

Im Bier dagegen befindet sich laut einer Bierbrauer*innen-Webseite meist einfaches Leitungswasser. Das allerdings ist, zumindest in Berlin und laut der Webseite der örtlichen Wasserbetriebe, ebenfalls „von naturbelassener Qualität“ und enthält „Mineralien und Spurenelemente“.

„They need it!“

Warum ist Bier also billiger? Interessante Frage, findet die Späti-Verkäuferin, die dort „nur Angestellte“ ist und lieber Englisch spricht: Wer Bier am Späti kaufe, gehe woanders hin, wenn's zu teuer sei, meint sie. Leute, die Wasser kaufen wollten, aber nicht, denn: „They need it!“

Eine gute Theorie, finde ich. Und eine, die, wie ich vermute, von vielen Berliner Gast­wir­t*in­nen geteilt wird: Denn wer in Restaurants – wo der Liter Mineralwasser in der gastronomischen Preisklasse, die ich mir leisten kann, zwischen 6 und 16 Euro kostet – schon mal um ein Glas oder gar eine Karaffe Leitungswasser gebeten hat, weiß, dass man dabei oft so missbilligend angesehen wird, also wolle man sich beim Jobcenter Leistungen erschleichen. Die man dann nicht bekommt, natürlich.

0,2 Cent kostet ein Liter Leitungswasser im Durchschnitt, für einen Cent gibt es also fünf, für einen Euro 500 Liter. Würde mir ein*e Gast­wir­t*in pro Liter Leitungswasser einfach einen Euro auf die Rechnung schreiben, würde ich mich freuen und das Restaurant hätte keinen Schaden – weder finanziell noch beim Image. Erlebt habe ich solchen freundlichen Service bisher allerdings eher in preiswerteren, oft türkischen, arabischen oder griechischen Restaurants, und dann übrigens meist ganz kostenlos. Dazu habe ich keine Theorie, doch es freut mich.

Freuen soll ich mich aber oft über etwas ganz anderes, und das ist der zweite Grund, warum es manchmal nicht leicht ist, Was­ser­trin­ke­r*in zu sein: Werde ich zu Essen, Partys oder anderen Festivitäten eingeladen, haben sich die Gast­ge­be­r*in­nen häufig etwas ganz Besonderes ausgedacht. „Extra für Dich! Weil Du doch keinen Alkohol trinkst!“ haben sie irgendwo – oft erschreckend teuren – alkoholfreien Sekt, Wein oder gar Wermut aufgetrieben oder einen aufwändigen Fruchtsaftcocktail kreiert, den ich mir schmecken lassen soll.

Trinken soll nicht meine Stimmung heben. Es soll bloß meinen Durst stillen, mehr nicht

Das ist total lieb gemeint. Aber ich trinke eben lieber Wasser, oder mal ̕n Kamillentee halt, und ich verstehe auch gar nicht so recht, warum das etwas sein soll, über das man mich mitleidig hinwegtrösten muss. Denn so sind diese Ersatzangebote ja gemeint, wie ich vermute – das ist natürlich wieder nur eine Theorie: Es soll mir nicht peinlich sein, „nur“ Wasser zu trinken – und den Gast­ge­be­r*in­nen nicht, mir „nur“ solches zu servieren.

Ist es nicht. Bleiben wir aber trotzdem kurz bei „peinlich“, denn das Wort passt ganz gut, um hier kurz zu erklären, wie ich überhaupt zur Was­ser­trin­ke­rin wurde. Was wiederum nötig ist, um zum dritten Grund zu kommen, der eben das manchmal schwierig macht. Wassertrinkerin bin ich, seit ich vor ziemlich genau achtundzwanzig Jahren endlich begriffen hatte, wie weit mehr als nur peinlich es wird, wenn man mit dem Alkohol trinken nicht umgehen kann. Dass ich seither (fast) nur Wasser trinke, hat, glaube ich, damit zu tun, dass ich dem Trinken seinen „Spaßfaktor“ nehmen wollte/musste: Trinken soll nicht meine Stimmung heben. Es soll bloß meinen Durst stillen. Mit der Späti-Verkäuferin gesagt: I need it. Mein Körper braucht Wasser. Gesüßte Limonaden, Saftcocktails oder alkoholfreien Sekt braucht er nicht.

Spaßbremse und Risiko

Das klingt vermutlich ziemlich nüchtern und darum ging und geht es (mir) ja auch, und damit sind wir beim dritten Punkt, der das Dasein als „nur“ Wasser- (oder in diesem Fall vor allem Nicht-Alkohol)-Trinkerin manchmal schwierig macht. Er lautet, als Frage formuliert: Kann man auf Partys trotzdem Spaß haben?

Meine persönliche Antwort ist: ja, aber. Natürlich kann es lustig sein, wenn man sich nach einer Party als Einzige an alles erinnert, was da so gesagt wurde und passiert ist. Aber diesen Spaß hat man dann meistens ganz exklusiv für sich; den anderen ist es – siehe oben – eher peinlich.

Und mir weinselige Monologe trunkener Freund*- oder Kol­le­g*in­nen anzuhören, habe ich mir ziemlich schnell abgewöhnt, das führt nach meiner Erfahrung zu nichts außer erstens wiederum peinlichen Entschuldigungen am nächsten Tag. Und zweitens und erheblich wichtiger: zu blödem Misstrauen. Dann nämlich, wenn der*­die­je­ni­ge wirklich nicht mehr weiß, was ich jetzt vielleicht alles über sie*ihn wissen könnte. Das macht die Nüchterne nicht nur zur Spaßbremse, sondern zum Risiko: ein Grund, warum ich früher sogar von Silvesterpartys gerne mal vor Mitternacht verschwunden bin.

Heute aber nicht mehr. Denn, was aber wirklich hilft und hier zum Schluss – auch, weil ja sonst viel zu selten – endlich mal lobend erwähnt werden darf und muss, ist: das Alter! Richtig schön fröhlich feiert es sich heute wieder, mit den Freund*innen, wie ich nun in ihren besten Jahren. Die fragen nämlich die Wassertrinkerin nach dem dritten Bier oder dem zweiten Glas Wein gerne mal: Alke, wo gibt’s hier eigentlich das Wasser?

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