US-Präsident auf Besuch: Nahost-Nato plus Israel

Biden will sich für „tiefere Sicherheitskooperationen“ zwischen Israel und den arabischen Staaten einsetzen. Konkrete Visionen hat er auch dabei.

Joe Biden vor Mikrofonen

Joe Biden spricht bei seiner Ankunft in Israel auf dem Flugplatz „Ben Gurion“ in Tel Aviv Foto: Evan Vucci/ap

ZÜRICH taz | Als Abdullah II. auf einem schwarz gepolsterten Stuhl vor der Reporterin des US-amerikanischen Senders CNBC saß und sagte, er würde eine „Nahost-Nato“ befürworten, hallten seine Worte in der arabischen Presse nach – und weit darüber hinaus. Die Aussage des jordanischen Königs war besonders brisant, weil wenige Tage zuvor Israels Verteidigungsminister Benny Ganz erklärt hatte, es bestehe bereits eine Luftverteidigungsallianz zwischen Israel und „regionalen Verbündeten“, die schon mal iranische Attacken durchkreuzt habe. Steht da also eine arabisch-israelische militärische Zusammenarbeit im Raum?

Laut exklusivem Bericht des Wall Street Journal haben sich bereits im März Armeevertreter von Israel, Saudi-Arabien, Katar, Jordanien und weiteren arabischen Ländern im Badeort Scharm El-Scheich, Ägypten, unter US-Führung getroffen. Das Ziel: sich gegen eventuelle Drohnen- und Raketenangriffe Irans zu koordinieren.

Die Idee einer militärischen Allianz unter arabischen Ländern ist gar nicht mal neu. Im Frühling 2015 etwa, als Kämpfer der Terrorgruppe IS Gebiete in Syrien, dem Irak und Libyen überrannt hatten und der Einfluss der Islamisten im zerrütteten Jemen wuchs, beschloss die Arabische Liga, eine gemeinsame Streitkraft auf freiwilliger Basis zu gründen. Doch die Idee eines Bündnisses mit Israel ist natürlich umstritten. Besonders in Jordanien, mit seinen mehr als zwei Millionen registrierten palästinensischen Geflüchteten. Eine Normalisierung der Beziehungen, solange die palästinensischen Gebiete besetzt sind, wird als Verrat an der Sache Palästinas gesehen.

Dass eine militärische Allianz unter arabischen Staaten plus Israel als Gegengewicht zum Iran beim Besuch des amtierenden US-Präsidenten Joe Biden besprochen wird, gilt für einige Kommentatoren jedoch als sicher. Auf offizieller Ebene bleiben die US-Behörden jedoch noch zurückhaltend.

Zahlreiche Konflikte

Wie heikel die Sache ist, merkt man auch daran, dass kein arabisches Land bislang die Nachricht des Treffens in Scharm El-Scheich bestätigt hatte. Wenige Tage nach König Abdullahs Interview sagte der jordanische Außenminister Ayman Safadi dem katarischen Sender Al Jazeera, es gebe derzeit keine Pläne, ein militärisches Bündnis mit Israel einzugehen. Auch der jordanische Politikwissenschaftler Amer al-Sabaileh sieht die Sache kritisch: „Die Konflikte in dieser Region sind so zahlreich, dass es schwierig ist, an die Schaffung einer soliden militärischen Allianz zu denken“, sagt er. Gleiches gelte für die Beziehungen zum Iran.

Bahrain, die VAE und Saudi-Arabien hätten eine deutlichere Position gegen den Iran, für Ägypten und Jordanien sei die Lage schon unterschiedlich, die Risiken geringer. Doch selbst wenn der Einfluss des Iran in Ländern wie dem Jemen, Libanon, Irak oder Syrien die Nachbarländer beunruhigt, dürfte das nicht genügen, eine Allianz inklusive Israel zu ermöglichen. „Wenn es Misstrauen gegenüber dem Iran gibt, dann gibt es einen noch größeren Argwohn über Israels Absichten – das ist das größte Hindernis“, sagt der jordanische Ex-Außenminister Jawad al-Anani.

Aber erste Weichen sind bereits gestellt: Laut Pressemitteilung des Weißen Hauses in Washington soll Joe Biden in Israel über Sicherheit und Integration diskutieren, in Palästina die Zwei-Staaten-Lösung unterstützen und in Saudi-Arabien unter anderem regionale Kooperationen im Bereich Sicherheit, Wirtschaft und Energie, die Lage im Jemen und mögliche Bedrohungen seitens Iran ansprechen. Biden selbst erklärte, eine weitere Normalisierung der Beziehungen zwischen arabischen Ländern und ­Israel stünde auf der Agenda.

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