Bericht des Biodiversitätsrats: Einseitiger Blick auf die Vielfalt

Die Leistungen der Natur können verschieden bewertet werden. Doch der Welt-Biodiversitätsrat moniert, dass die Sicht der Industrieländer dominiere.

Eine Hand hält einen Pilz

Lecker? Hübsch? 30 Cent? Wie bewertet man einen Pilz? Foto: Stefanie Oberhäuser/imago

BERLIN taz | Die Natur verarmt, weil unsere Sicht auf sie zu einseitig ist. Das ist die Haupterkenntnis des neuesten Berichts des Welt-Biodiversitätsrats IPBES, die das wissenschaftliche Gremium am Montag in Bonn vorgestellt hat. Die Art, in der Natur in politischen und ökonomischen Entscheidungen bewertet wird, sei sowohl eine Hauptursache für die weltweite Krise der biologischen Vielfalt als auch eine entscheidende Chance, diese zu bewältigen, schreiben die 82 Au­to­r:in­nen des Berichts.

Für ihren Bericht über die „Bewertung von Natur“ haben die Experten des IPBES rund 13.000 wissenschaftliche Arbeiten und andere Quellen darauf untersucht, wie sie Leistungen der Natur betrachten und einschätzen. „Werte, die nicht marktgängig sind, werden nicht beachtet“, sagt Unai Pascual, vom Baskischen Zentrum für Klima, einer der Co-Vorsitzenden des Berichts, „das ist ein starker Treiber für die Biodiversitätskrise.“

So lasse sich ein Fluss unter der Fragestellung betrachten, wie viel Fische in ihm zu fangen seien, erklärte Mitautorin Patricia Balvanera von der Autonomen Universität von Mexiko – oder aus der Perspektive des Fischs, der ein natürliches Recht habe, in diesem Fluss zu leben, oder aus der Perspektive von Menschen, für die der Fluss Teil ihrer Heimat und ihrer Identität sei.

Immer gehe es um die Frage, „wer vor Entscheidungen gehört wird und wer nicht – und welche Konsequenzen das hat“, sagt Pascual. Dass der „instrumentalisierende“ Blick der Industrienationen nicht der einzige auf Natur sei, müsse nicht nur in politische Entscheidungen einfließen. Es gehöre auch in die Verhandlungen zu dem neuen Biodiversitätsabkommen, das Ende des Jahres verhandelt werden soll, fordern die Autoren.

Schon am Freitag hatte der IPBES einen Bericht vorgestellt, der die Nutzung wilder Tiere und Pflanzen untersucht. „Jeder fünfte Mensch auf der Erde ist unmittelbar von wild lebenden Arten abhängig, sei es direkt als Nahrungsgrundlage oder für den Lebensunterhalt“, kommentierte Matthias Glaubrecht, Projektleiter am Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels, die Forschungsarbeit. „Mehr als 10.000 Arten werden direkt für die menschliche Ernährung genutzt“, sagt Glaubrecht. „Rund 2,4 Milliarden Menschen – immerhin also beinahe ein Drittel der Menschheit – nutzen Wälder und Bäume direkt für das zum Kochen notwendige Feuerholz.“

Der Wert lokaler Gemeinschaften

Der Bericht nennt vier Möglichkeiten, wie wilde Arten beansprucht werden: Jagd, Fischerei, Holzeinschlag in Wäldern und Pflanzen-, Pilze- und Algensammeln. Immer häufiger verlaufe das nicht nachhaltig, stellt der Bericht fest. Als Stressfaktoren nennt er Überfischung, Abholzung von Wäldern für Feuerholz oder den illegalen Handel von Wildtieren. Als zentrale Erkenntnis stellt er heraus, wie wichtig lokale und indigene Gemeinschaften in diesem Zusammenhang sind. „Um eine nachhaltige Nutzung von wild lebenden Tier- und Pflanzenarten zu erreichen, müssen diese in Entscheidungen miteinbezogen und ihr Wissen über natürliche Ressourcen genutzt werden“, heißt es.

Und auch dabei, wie Natur zu bewerten sei, müsse der Sicht lokaler Gemeinschaften mehr Bedeutung beigemessen werden, fordern die Au­to­r:in­nen und stellen nebenbei fest, dass nur 0,6 Prozent der 13.000 untersuchten Quellen sich mit dem Thema „Macht“ befassen.

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