Migration und Teilhabe in Hannover: Über Geschwurbel hinaus

Mit „Wir 2.0 – Migration und Teilhabe“ wurde in Hannover ein Integrationsplan neu aufgelegt. Er entwirft eine Vision von einer Einwanderungsstadt.

Die Sonne scheint auf das Neue Rathaus von Hannover im Maschpark

Mehr als ein paar neue Rekrutierungsziele für die Stadtverwaltung: das Neue Rathaus von Hannover Foto: picture alliance/dpa/Hauke-Christian Dittrich

Hannover taz | Am Ende geht es natürlich mal wieder bloß ums Personal. „Hannover: Verwaltung plant bis Ende 2026 ein Drittel aller neuen Stellen mit Migranten zu besetzen“, titelt die Hannoversche Allgemeine Zeitung.

So hätte das der neu aufgelegte lokale Integrationsplan „Wir 2.0“, aus dem diese Zahl stammt, natürlich nie ausgedrückt. Der spricht an dieser Stelle nämlich lieber von „Beschäftigten mit Mi­grationsbiografie“ – erklärt im Vorwort aber auch gleich, warum der Ausdruck eigentlich blöd ist (weil er das diskriminierende Merkmal fixiert, das man eigentlich bekämpfen möchte).

Natürlich hat man in Hannover sehr genau registriert, wie die Diskussion in Berlin verlaufen ist, wo eine starre Mi­grantenquote an den rechtlichen Bedenken der SPD gescheitert ist.

Also hat man lieber weiche Zielzahlen formuliert, und zwar für die Gesamtheit der Beschäftigten (das sind mehr als 11.000), die Auszubildenden, die Führungskräfte und die Laufbahngruppen Mittlerer, Gehobener und Höherer Dienst, jeweils einzeln. Es sind keine wahnwitzig hohen Quoten, man hat sich die Ausgangszahlen angeguckt und Zielgrößen definiert, die ein paar Prozent darüber liegen.

Also zum Beispiel 17 Prozent der Beschäftigten insgesamt, ausgehend von jetzt 15 Prozent. Das bedeutet aber immer noch, dass man in den nächsten fünf Jahren 30 Prozent aller frei werdenden Stellen mit Menschen mit Mi­grationsgeschichte besetzen müsste. Das klingt vielleicht nicht revolutionär, ist aber bedeutend mehr als die wolkigen Absichtserklärungen, die sich andere Städte leisten.

Nun könnte man auch zynisch sagen, ah ja, das ist ihnen ja gerade noch rechtzeitig eingefallen. Aktuell sind 700 Stellen in der Verwaltung unbesetzt, der Fachkräftemangel ist an allen Ecken und Enden spürbar und ein Ende ist nicht in Sicht. Hannover ist bisher außerdem dafür berühmt, bei den Stellenausschreibungen päpstlicher zu sein als der Papst und es Quereinsteigern besonders schwer zu machen. Es wird also abzuwarten sein, wie sich diese Zielvorgaben nachher tatsächlich in die Praxis transportieren zu lassen.

Allerdings ist so ein Vorwurf auch ein bisschen unfair. Denn dieser Verwaltungsentwurf „Wir 2.0 – Migration und Teilhabe“ umfasst bedeutend mehr als ein paar neue Rekrutierungsziele für die Stadtverwaltung. Auf rund hundert Seiten entwirft er eine Vision von Hannover als Einwanderungsstadt, benennt Probleme und Maßnahmen in den Bereichen Bildung, Soziales, Demokratie, Kultur, Wirtschaft und eben Stadtverwaltung, und zwar nicht ungefähr und wolkig, sondern ziemlich konkret, benennt Verantwortlichkeiten und installiert ein Gremium, das die Umsetzung überwachen soll.

Man ahnt, dass dies das Ergebnis eines langen und zähen Prozesses ist, in dem die beteiligten Migrantenorganisationen offenbar einiges an Überzeugungsarbeit geleistet haben. Dafür kommt das Ganze jetzt in einer überraschend frischen und klaren Sprache daher, die sich wohltuend abhebt von dem salbungsvollen und paternalistischen Geschwurbel, das man in Sonntagsreden zur Integration sonst so ertragen muss. Jetzt muss es nur noch wirken.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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