Eine Parade für die Golden Girls

Die Forderung nach einem würdevollen Leben für homosexuelle Senioren steht dieses Jahr im Zentrum des Kölner CSD. Da gibt es Einiges zu tun: Viele Lesben fürchten, im Alter zu vereinsamen

VON THOMAS SPOLERT

Über 90 Prozent der lesbischen Frauen fürchten, im Alter Probleme mit Einsamkeit zu bekommen. Und tatsächlich nehmen bei ihnen mit zunehmenden Alter die sozialen Beziehungen immer weiter ab. Dies sind zwei zentrale Ergebnisse der „Bestandsaufnahme zur lesbischen Seniorinnenarbeit in Nordrhein-Westfalen“. Der Kölner Christopher Street Day (CSD), der am kommenden Wochenende stattfindet und am Sonntag mit der traditionellen Parade endet, greift das Thema auf: Unter dem Motto „lebenslang liebens:würdig“ stehen lesbische und schwule SeniorInnen dieses Jahr im Mittelpunkt des CSD.

Für junge Lesben gibt es viele Gruppen und Freizeitangebote in NRW. Aber die 12.000 in Köln lebenden lesbischen Frauen ab 60 finden kaum etwas für ihre Bedürfnisse. Die Gruppe „Golden Girls“ bildet seit vier Jahren eine rühmliche Ausnahme. Derzeit treffen sich in dieser an das Rubicon, die Beratungsstelle für Lesben und Schwule, angebundenen Gruppe rund 30 Frauen, um ihre Freizeit gemeinsam zu gestalten und sich auszutauschen. Doch was machen eigentlich all die anderen Frauen?

Neue Gruppen haben sich trotz der großen Zahl älterer Lesben in Köln noch nicht gebildet. „Das Problem ist der Spagat zwischen dem Kontaktbedürfnis einerseits und dem Autonomiebestreben andererseits“, erklärte Carolina Brauckmann, die Autorin der „Bestandsaufnahme zur lesbischen Seniorinnenarbeit in Nordrhein-Westfalen“, als sie letzte Woche die Studie im Rubicon im Rahmen der Veranstaltungen zum Kölner CSD vorstellte. Viele Ältere hätten Angst vor der Verantwortung, scheuten die Verbindlichkeit einer Gruppe und ergriffen daher keine Initiative, um eine Gruppe zu gründen. Dies sei kein lesbenspezifisches Phänomen, sondern typisch für Senioren.

Dass es aber viele Wünsche nach unterschiedlichen Angeboten für ältere lesbische Frauen in Köln gibt, zeigen an diesem Abend auch die Diskussionsteilnehmerinnen im Rubicon. „Ich würde mich unheimlich gerne mit Gleichaltrigen über unsere Lebenserfahrungen austauschen“, erklärte eine 75-Jährige. Andere wollen Angebote für die Freizeit mit Gleichgesinnten. Wieder anderen würde ein Stammtisch reichen. Eine wünscht sich einen Ort, an dem Wissen weitergegeben werden kann, also ein generationenübergreifendes Angebot.

Ein stadtweites Netzwerk für Lesben könnte hilfreich sein, um diese Angebote für eine lebensweltorientierte Alterspolitik zu entwickeln und zu koordinieren. Deswegen hat das Rubicon schon im August letzten Jahres der Stadtverwaltung und der Politik ein Konzept für zwei „Regionale ALTERnative Netzwerke“ (RAN) für alte Lesben und Schwule vorgelegt. In Köln gibt es zwar 12 stadtteilbezogene Seniorennetzwerke. „Aber für mich ist fragwürdig, ob da eine Lesbe gut aufgehoben ist“, zweifelt eine Kennerin das Angebot an.

Trotzdem lobt Brauckmann die Entwicklung der letzten Jahre: „Es hat ein Umdenken in der Alterspolitik in NRW stattgefunden.“ So würden nicht mehr nur Kaffeetrinken für Senioren organisiert. Die Gelder für ein alternatives Netzwerk in Köln sind allerdings noch nicht genehmigt – trotz positiver Signale. Brauckmann ist daher skeptisch, was die Abstimmung in der Ratssitzung am 5. Juli angeht: „Ich habe nur begrenzte Hoffnungen.“