„Die Privilegierung des Autos muss enden“

Solveig Selzer vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub erklärt, wie ein Verkehrssystem die Schwächsten schützt

Interview Nicola A. Mögel

Wo bleibt die Solidarität im Berliner Straßenverkehr?

Solidarität im Verkehr bedeutet, dass diejenigen Verkehrsteilnehmenden am stärksten geschützt werden müssen, die nicht eine Knautschzone aus Blech um sich herum haben. Also die Radfahrenden und Zu-Fuß-Gehenden. Und das geht am besten mit geeigneter Infrastruktur.

Was bedeutet das genau?

Zum Beispiel geschützte Radstreifen, die ausreichend breit sind und Absperrungen zum Autoverkehr haben. Oder dass in Fahrradstraßen durch die Beschaffenheit der Straße allen sofort klar ist, wer hier Vorrang hat – also nicht nur ein Schild aufgestellt wird. Abbiegeassistenzsysteme bei Lkws sind ein Versuch, diesen Schutz technisch zu verwirklichen.

Foto: Robert Köster

Solveig Selzer, Politische Referentin des Vorstandes, Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e. V., LV Berlin

Was sind eure langfristigen Ziele?

Grundsätzlich läuft alles darauf hinaus, die Privilegierung des Autos zu beenden. Der ADFC hat auf Bundesebene Ziele für ein neues Straßenverkehrsgesetz formuliert. Ein ganz wichtiges Ziel ist die Vision Zero, also keine Verkehrstoten mehr. Das Verkehrssystem muss von den dort aktiven Menschen gemachte Fehler ausgleichen und ungeschützte Verkehrsteilnehmende aktiv schützen. Dann die Gleichstellung aller Verkehrsarten: Bisher hatte der Autoverkehr oberste Priorität, künftig sollen Bus, Bahn, Rad- und Fußverkehr besonders berücksichtigt werden. Oder auch die Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutzziele. Bisher waren nur die Flüssigkeit des Autoverkehrs und die Gefahrenabwehr Gesetzesziele. Auch im ADFC-Entwurf für ein Gute-Straßen-für-alle-Gesetz enthalten sind eine nachhaltige Stadt- und Verkehrsentwicklung und eine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung. So wird das freie Parken für Kraftfahrzeuge eingeschränkt. Dadurch direkt mehr Platz für Fuß- und Radverkehr.