Überall selbstgewisse Ratlosigkeit

Die Debatte darum, wie der Krieg in der Ukraine beendet werden kann, lässt viele hilflos zurück. Doch es geht darum, Kräfte zu bündeln, anstatt sie zu verschwenden. Eine Aufgabe für die Zukunft

Von Elisabeth
Eberstein

Es gibt derzeit zwei Meinungen, wie sich die Bundesregierung in Bezug auf den Ukrainekrieg verhalten sollte. Die einen halten die Lieferung von vielen und effektiven Waffen für unumgänglich, um die Ukraine in die Lage zu versetzen, sich gegen den russischen Aggressor zu behaupten. Die anderen sehen weitere Waffenlieferungen als nicht zielführend an, sondern wünschen sich, dass die Kriegsparteien an den Verhandlungstisch kommen. Gegenseitig wirft man sich Egoismus, Mangel an Empathie oder Dummheit vor. Dass auch Menschen mit einer anderen Sichtweise wohlmeinende Motive haben könnten, wird schlicht geleugnet.

Die Einschätzung der Person Putin wirkt dagegen auf beiden Seiten seltsam ähnlich. Er wird einerseits als komplett irrational angesehen, nämlich als durchgeknallt genug, den dritten Weltkrieg samt Atomwaffeneinsatz anzuzetteln, sollte er zu sehr gereizt werden. Beziehungsweise als so größenwahnsinnig, dass er sogar Nato-Staaten angreifen würde, um das großrussische Reich wieder zu errichten. Obwohl die russische Armee ja nicht mal bis Kiew gekommen ist.

Andererseits halten beide Parteien Putin für rational genug, angemessen zu reagieren, sollten jeweils ihre Vorschläge umgesetzt werden. Wenn man nur ausreichend große Anstrengungen unternehme, werde Putin bereit sein zu verhandeln und die mit ihm geschlossenen Verträge würden den Frieden sichern, lautet eine Annahme. Oder: Die Ukraine wird in einer Weise militärisch aufgerüstet und unterstützt, dass Putin sich entweder zurückzieht oder vertrieben werden kann. Beides klingt nicht sehr realistisch.

Was, wenn er tatsächlich verrückt ist? Kann ein irrationaler, über Atomwaffen verfügender Diktator gestoppt werden, ohne die Apokalypse auszulösen – außer durch Tyrannenmord? Möglicherweise ist es aber auch ganz anders. Putin gibt den Größenwahnsinnigen, damit wir zittern. Tatsächlich plant er aber rational und eiskalt strategisch. Und auch wenn der Krieg für ihn vielleicht nicht nach Plan läuft, passt er die Kriegsziele so an, dass er den Status quo als Erfolg verkaufen kann.

Wie kann der Krieg und damit Leid, Tod, Zerstörung beendet werden? Ich bin ratlos. Mich beschleicht der Verdacht, dass die Stimmen, die besonders selbstgewiss auftreten oder andere Meinungen diffamieren, damit vor allem die eigene Hilflosigkeit überspielen. Meine große Unsicherheit in dieser Lage führt dazu, endlich nicht nur Meinungen zu dem Thema hören zu wollen, sondern die Einschätzung von Experten, die mir sagen, wie es weitergehen kann. Aber ist das möglich? Gibt es jemanden, der voraussagen kann, was auf Entscheidungen, die der Westen trifft, folgen wird? Wird eine massive militärische Unterstützung der Ukraine ihr ermöglichen zu siegen? Oder verlängert das nur das Leid und später muss doch eine Verhandlungslösung gefunden werden?

Mit dieser Unsicherheit leben wir derzeit. Ich wünsche mir, dass wir uns nicht durch maßlose Herabwürdigungen gegenseitig schwächen, sondern gemeinsam – mit der Ukraine, mit Konfliktforschern, mit allen, die Expertise einbringen – nach Lösungen für diesen Konflikt suchen. Solidarität mit der Ukraine können wir nur üben, wenn wir auch miteinander respektvoll und solidarisch umgehen.