Allmende und knappe Güter: Kant und die Tragik der Allmende

Gemeingut ist kostbar und immer gefährdet. Eine solidarisch orientierte Gesetzgebung muss immer wieder erkämpft werden.

Eine Badestelle am See

Auch eine Allmende: Badestelle am Betzsee in Brandenburg Foto: Oliver Gerhard/imago

Dieser Text ist Teil einer freundlichen Übernahme. Die taz Genossenschaft wird in diesem Jahr 30 Jahre alt. Zum Feiern haben 18 unserer über 22.200 Ei­gen­tü­me­r*in­nen eine eigene taz gemacht. Die ganzen 16 Seiten gibt es am 2./3. Juli am Kiosk oder hier.

Die Allmende ist eine Form gemeinschaftlichen, solidarisch verwalteten und genutzten Eigentums in der Landwirtschaft, also eine Gemeinschafts- oder Genossenschaftsfläche abseits der besessenen oder gepachteten landwirtschaftlichen Nutzfläche. Vor allem in ländlichen Gebieten der Entwicklungsländer finden sich noch immer verbreitet Allmenden.

Der ursprünglich landwirtschaftliche Begriff hat Eingang in die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie Informationswissenschaften gefunden. Oft wird auch die englischsprachige Entsprechung „Commons“ und entsprechend „Tragedy of Commons“ verwendet.

Im Sinne des deutschen Rechts kommt der Allmende keine Rechtsposition zugute. Nur bestimmte Organisationsformen wie der Gemeindebesitz oder Genossenschaftsbesitz erzeugen Rechtspositionen.

Die Tragödie der Allmende stellt sich ein, wenn knappe Güter oder Ressourcen zum Gemeingut erklärt werden und zu einem Preis von null frei zur Verfügung gestellt werden. In dieser Situation wird meist eine Rationierung über die Wartezeit erzeugt. Es beginnt ein ressourcenverzehrender Aneignungswettkampf, bei dem einige versuchen werden, die Ersten zu sein, die sich von dem knappen Gut so viel wie möglich „erobern“. Im Beispiel einer landwirtschaftlichen Allmende als gemeinsamer Weideplatz tritt dann Überweidung ein. Den letzten Nutzern (Vieh) stehen keine Grashalme mehr zur Verfügung.

Unsolidarisch und unakzeptabel

Ein derartiger Aneignungswettkampf ist unsolidarisch, denn er folgt keiner Maxime, deren Gültigkeit für alle, jederzeit und ohne Ausnahme akzeptabel wäre. Dies fordert der kategorische Imperativ, das grundlegende Prinzip moralischen Handelns in der Philosophie Immanuel Kants. Demnach müsste der Landwirt, der als Erster sein Vieh auf die Allmende treiben kann, seine Tiere spätestens dann freiwillig vom Weideplatz entfernen, wenn seine Tiere den Anteil Gras gefressen und den Anteil Gras durch Zertreten und Ausscheidungen zerstört haben, der seiner Herde relativ zu den anderen Herdengrößen zusteht – das wäre ideales solidarisches Handeln.

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Die Tragik der Allmende beschreibt ein Problem, aus dem aber nicht folgt, dass Allmendegüter abzulehnen sind. Beispiele für von uns allen genutzten Allmendegütern sind öffentliche Stadtparks, frei zugängliche natürliche Badeseen etc. Neben der Bereitstellung dieses Allmendegutes muss die öffentliche Hand auch seine Pflege, Reinigung und Kontrolle übernehmen, um die Unfähigkeit einiger Menschen zu kompensieren, eine moralisch begründete, eigenverantwortliche und solidarische Notwendigkeit zur Pflege und ­Säuberung der genutzten Flächen in das eigene Handeln einzubeziehen.

Dort, wo der Aufwand und die Kosten für die Pflege dieser Allmendegüter zu hoch werden, wird ihre freie Bereitstellung aufgrund des unsolidarischen Verhaltens einiger weniger oftmals beendet und alle Nutzer werden unter den Folgen gemeinsam leiden – ein nicht seltenes Phänomen im menschlichen Miteinander, das die einfache Anwendung des kategorischen Imperativs leicht verhindert hätte.

In einer seiner Grundformen lautet der kategorische Imperativ: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Tatsächlich kann man annehmen, dass die Verfassung wie auch alle untergeordneten Bundesgesetze letztendlich mehr oder weniger derartige Maximen formulieren und zu allgemeinen Gesetzen erklärt haben.

Selbstverständlich versuchen Lobbyorganisationen und Wirtschaftsverbände, die Formulierung der Gesetze in ihrem Sinne aufzuweichen. Einmal in den Beton eines Gesetzes gegossen, sind die gesetzten Pfeiler nur noch schwer zu entfernen. Eine solidarisch orientierte Gesetzgebung kann nur erreicht werden, wenn neben den professionellen Interessenverbänden auch NGOs Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.