Faire Oase inmitten Berlins

Wieso engagieren sich Menschen für Fairen Handel? Ein Treffen mit Benigna Trodler, die schon als Kind dabei war. Sie will einen neuen Weltladen als Genossenschaft gründen

Spricht mit Begeisterung über Fairen Handel: Benigna Trodler im Weltladen Pankow  Foto: Tina Eichner

Von Gerhard Werum

In einem Hinterhof in Berlin-Pankow dringt Straßenlärm durch eine Hauseinfahrt. Ein paar Arbeiter verteilen Rindenmulch in einer Ecke. Der angenehme Duft tut mir gut. Die sommerliche Hitze einer Großstadt bin ich nicht gewohnt, so dass mir der grüne Fleck gelegen kommt. Der Hof liegt hinter dem Weltladen Pankow. In einem hellen Raum im Vorderhaus werden dort T-Shirts, Körbe, Tassen, Kaffee, Tee, Gewürze und viele weitere Produkte angeboten. Alles ist hell und freundlich eingerichtet, alles stammt aus Fairem Handel.

Wie das Grün im Hinterhof sind auch die Weltläden Oasen in einer überwiegend auf Profit und Konsum ausgerichteten Wirtschaft. Die Produzierenden werden als gleichwertige Partner geschätzt, ihre Lebensbedingungen sind von Belang. Sie sollen von ihrem Einkommen leben können. Einkäuferinnen sind bereit, dafür angemessen zu bezahlen. Darin drückt sich ein solidarisches Miteinander aus.

Benigna Trodler, 35, sitzt mir gegenüber. Alle nennen sie nur Bena. Sie ist groß und schlank und trägt ein sommerliches Kleid mit gedecktem blau-weißen Muster. Wenn sie lacht, strahlen ihre Augen. Bena ist die Geschäftsführerin im Weltladen. Aus ihr sprudeln die Visionen und Ideen nur so heraus, fast wirkt sie euphorisch. Wohl auch, weil eine dieser Ideen demnächst Wirklichkeit wird: die Gründung einer neuen Genossenschaft.

Letzten Oktober hat Bena zusammen mit sieben weiteren Mitstreitenden die Gründung vorbereitet und nun warten sie auf die Eintragung als „Genossenschaft Weltladen Mitte“. Ihr Ziel ist es, den neuen Weltladen „Sophiefair“ in der Nähe der Sophienkirche zu eröffnen, geplant ist der 30. September. Ideengeber waren neben einer Pfarrerin die „Koepjohann’sche Stiftung“, die weitere Interessierte aus dem Kiez ins Boot holen konnten. Die Stiftung wurde vor 230 Jahren zum Wohle der Witwen und Waisen gegründet und engagiert sich heute in der Arbeit mit benachteiligten Frauen.

Bena ist begeistert von der Genossenschaftsidee: „Ich kenne keine Organisationsform, die die Menschen und die Sache, die dahintersteht, auf so solidarische Art verbindet“, sagt sie. Bena weiß, wovon sie spricht. Sie hat Betriebswirtschafts- und Volkswirtschaftslehre sowie Entwicklungsökonomie in London studiert.

Eine Genossenschaft zu gründen ist für sie auch ein Weg, sich den Globalen Süden zum Vorbild zu nehmen. Eine Vielzahl der Pro­du­zen­t*in­nen dort, die vor allem als Klein­bäue­r*in­nen sowie Hand­wer­ke­r*in­nen ihren Unterhalt verdienen, haben sich genossenschaftlich organisiert. Dadurch haben sie ihren Weg gefunden, sich aus der Abhängigkeit der Zwischenhändler und Geldverleiher zu befreien.

„Ich kenne keine Organisations­form, die auf so solidarische Art verbindet“

Benigna Trodler

Bena hat den Fairen Handel schon früh kennengelernt. Bereits im Alter von sieben Jahren stand sie hinter der Theke und half ihrer Mutter, die nach der Wende den Weltladen in Woltersdorf gegründet hatte. Mit 14 war sie mit ihrer Patentante zu Gast in einer ghanaischen Familie und lebte dort in einfachsten Verhältnissen. Hier nahm ihre Begeisterung für den Austausch mit anderen Kulturen ihren Anfang. Ein Schulaustauschjahr führte sie nach Mexiko, sie besuchte ihre Schwester in Kuba und machte schließlich ein Praktikum in Kolkata in Indien.

Voller Begeisterung erzählt sie von dem „Craft Resource Center“ und deren Gründerin Irani Sen, die sie dort kennenlernte. Rund 5.000 Mitarbeitende – etwa 60 Prozent davon sind Frauen – produzieren unter anderem in der hauseigenen Lederwerkstatt Produkte für den Fairen Handel. „Vieles kommt von innen, das spüre ich in den Produkten“, sagt Bena. „Es ist wie ein Geschenk, das ich selbst hergestellt habe. Ich weiß, welche Menschen und welches Projekt dahinterstehen.“

Die junge Frau beeindruckt mich, ebenso wie all die Menschen, die hinter der Idee des Fairen Handels stehen. Und es beruhigt mich, dass ich nicht alleine bin, dass es immer wieder vor allem Ehrenamtliche gibt, die sich in der Bildungs- und Kampagnenarbeit in den bundesweit rund 900 Weltläden einsetzen und erfahrbar machen, dass Gender- und Klimagerechtigkeit, Biodiversität, Handeln auf Augenhöhe und politisches Engagement zusammengehören.