Vom Krieg gespalten

In Italien ist Außenminister Luigi Di Maio aus der mitregierenden Fünf Sterne Bewegung ausgetreten und gründet eine neue Partei. Grund dafür ist ein Streit über Waffenanlieferungen an die Ukraine

Aus Rom Michael Braun

Wochenlang schaute Italien auf diesen Termin: Am 21. Juni stand in Italiens Parlament die Abstimmung über den Kurs der Regierung unter Mario Draghi im Ukrainekrieg an. Es gab große Zweifel, ob die ihn tragende Koalition das Votum unbeschadet überstehen würde, brachten doch sowohl die rechtspopulistische Lega als auch die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) Bedenken gegen weitere Waffenlieferungen an.

Am Ende hat Draghi die Abstimmung völlig unbeschadet überstanden, mit 219 Ja-Stimmen bei 22 Nein-Stimmen und 20 Enthaltungen. Schweren Schaden hat dagegen das M5S genommen: Noch während die Abstimmung lief, brachte Außenminister Luigi Di Maio dessen Spaltung auf den Weg. Di Maio hatte sich schon in den Vortagen verbittert über den Parteichef und früheren Ministerpräsidenten Giuseppe Conte geäußert, weil der die Bewegung nicht auf klarem „euro-atlantischem“ Kurs halte. Offen warf Di Maio Conte vor, aus rein wahltaktischen Kalkülen Zweifel an der Bündnistreue Italiens zu nähren – immerhin sind 45 Prozent der Ita­lie­ne­r*in­nen gegen und nur 28 Prozent für weitere Waffenlieferungen an die Ukraine. In dieser Hinsicht konnten Di Maio und Draghi sich komplett durchsetzen. Conte und die gesamte Fünf-Sterne-Fraktion billigten am Ende den Regierungskurs, Waffenlieferungen inklusive. Doch auch mit diesem zähneknirschenden Ja konnte Conte die Einheit des M5S nicht mehr retten.

Am Dienstagabend gab Di Maio auf einer Pressekonferenz seinen Auszug aus der Bewegung und die Gründung einer neuen politischen Formation bekannt, die „Insieme per il futuro“ („Gemeinsam für die Zukunft“) heißen soll. Damit droht dem M5S der Absturz in die politische Bedeutungslosigkeit.

2009 hatte der Comedian Beppe Grillo die Fünf-Sterne-Bewegung gegründet, die gegen die traditionellen Parteien und deren Korruption und Unfähigkeit wetterte. Die Bewegung versprach damals, die Politik wieder zur Sache der Bür­ge­r*in­nen zu machen. Diese sollten Basisdemokratie praktizieren und soziale sowie ökologische Akzente setzen. In der Folge erlebte das M5S einen rasanten Aufstieg: 2013 zog es mit sensationellen 25 Prozent ins Parlament ein, bei den Wahlen 2018 kam es gar auf fast 33 Prozent. Der Frontmann von damals hieß Luigi Di Maio.

Der enorme Erfolg trug den Fünf Sternen in den letzten vier Jahren die Regierungsverantwortung ein. Seit Februar 2021 sind sie als stärkster Koalitionspartner in der Notstandsregierung unter Mario Draghi vertreten. Doch bei den Wählern musste das M5S seit 2018 einen kontinuierlichen Niedergang erleben. Bei den Kommunalwahlen am 12. Juni kam die Bewegung in vielen Städten nur noch auf einstellige Ergebnisse.

Vor diesem Hintergrund verschärfte sich im M5S die Auseinandersetzung über die richtige Mischung zwischen Pragmatismus und alten Protestakzenten – und sie explodierte in der Frage, welchen Kurs die Fünf Sterne im Ukrainekonflikt fahren sollten.

Diese Spaltung dürfte jedoch weder der Bewegung und den aus ihr jetzt hervorgegangenen Splittern nützen, noch dem Mitte-links-Lager. Freuen kann sich am Ende nur die populistische Rechte, deren Siegchancen bei den im März 2023 anstehenden Parlamentswahlen sich mit der Selbstzerlegung des M5S weiter erhöht haben dürften.

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