Preisverdopplung fürs Kita-Essen: Kosten satt in Lübeck

Weil Lübeck Zuschüsse kürzt, sollen Eltern der Stadt-Kitas statt 54 künftig 106 Euro für Verpflegung zahlen. Die Elternvertretung will das stoppen.

Ein Mädchen isst in einer Kindertagesstätte zu Mittag.

Das Mittagessen soll in Lübecker Kitas deutlich teuerer werden Foto: Jens Büttner / dpa

HAMBURG taz | In Lübeck hängt der Stadtsegen schief, weil die Stadt die Kita-Essenspreise erhöhen will. Es betrifft die 1.777 Kita-Plätze, die die Stadt selbst betreibt. Hier zahlen Eltern bisher 52 Euro im Monat für die Verpflegung. Künftig sollen es laut einer Vorlage der Verwaltung 106 Euro sein. Die sind zusätzlich zu den Gebühren zu zahlen, die je nach Platz zwischen 174 und 234 Euro betragen.

„Für viele Lübecker Familien stellt das eine unzumutbare Belastung dar“, sagt der Grüne Stadtabgeordnete André Kleyer, der nun einen Antrag in die Lübecker Bürgerschaft eingereicht hat, die Erhöhung zu kippen. Denn angesichts von Pandemie und Energiekosten hätten die Familien eh Geldsorgen.

Auch die Elternvertretung der Kitas kritisiert die Pläne und sammelt Unterschriften, um die Erhöhung zu stoppen. „Für uns ist das eine Frage der Prioritätensetzung, nicht des Geldes“, sagt Sprecherin Mascha Benecke-Benbouabdellah. Perspektivisch müsste das Essen sogar kostenfrei sein. Zudem seien die bisher von der Verwaltung vorgelegten Zahlen nicht transparent. Dennoch habe der Bürgermeister angekündigt, die Erhöhung noch in dieser Woche in der Bürgerschaft zu beschließen. Damit würde der Jugendhilfeausschuss übergangen.

In der Tat ist in anderen Ländern wie Hamburg das Kita-Mittagessen gratis und auch die tägliche Betreuung bis zu fünf Stunden, weil Kitas als Bildung gelten. In Schleswig-Holstein, wo sich Land und Kommunen die Finanzierung teilen, waren die Kitas je nach Ort teils sehr teuer. Deshalb sollte eigentlich die „Kita-Reform“ von 2020 die Sache für Eltern günstiger machen. Das Land gibt seither mehr Geld ins System und führte den „Beitragsdeckel“ ein, der besagt, dass die Betreuungsstunde nur eine fixe Summe kostet. Bei einem 40-Stunden-Krippen-Platz sind das zum Beispiel 232 Euro.

Nur der Essenspreis ist nicht gedeckelt

Außer Acht blieben dabei die Essenskosten – obwohl die Landeselternvertretung der Kitas (LEV) davor warnte, diese könnten von Kommunen zum Ausgleich für den „Deckel“ erhöht werden. Laut einer LEV-Umfrage unter rund 3.200 Kitas hat knapp die Hälfte die Essenskosten erhöht oder das geplant.

In Lübeck geht es um 1,1 Millionen Euro. Die Stadt argumentiert mit Gleichbehandlung. Denn bisher habe man nur die Stadt-Kitas beim Essen bezuschusst, die übrigen Kitas freier Träger mit ihren rund 5.700 Plätzen aber nicht. Dort kostete die Stadt das Essen je nach Träger zwischen 60 und 120 Euro im Monat. „Die freien Träger hätten diesen Zuschuss auch gern“, sagt der SPD-Abgeordnete Jörn Puhle. Durch das Kita-Gesetz sei Lübeck verpflichtet, alle gleich zu behandeln.

Würde man, wie Grüne und Eltern fordern, die alte Subvention von 54 Euro im Monat allen Kita-Eltern gewähren, führe das laut Stadtsprecherin Nicole Dorel zu Mehrkosten von rund 3,8 Millionen Euro im Jahr. Und da Lübeck verschuldet ist und mit dem Land eine Entschuldungsvereinbarung traf, müsste es dafür bei anderen „freiwilligen Leistungen“ sparen. Da für ein Drittel der Kinder der Bund das Essen über sein „Bildungs-Paket“ bezahlt, kämen Mehrausgaben der Stadt letztlich dem Bundeshaushalt zugute. „Im Worst Case müssten wir bei anderen freiwilligen Leistungen streichen“, sagt Jörn Puhle. Das könnte zum Beispiel ein geplantes Jugendzentrum betreffen.

Ob das so ist, dazu gibt es verschiedene Stimmen. Im Februar schrieb der damalige Sozial-Staatssekretär Matthias Badenhop dem Lübecker Verein „Elternstimme“, dass Lübeck nicht wegen seiner Konsolidierungshilfen verpflichtet sei, das Essensgeld zu erhöhen. Ohnehin habe die Stadt nach der Kita-Reform in 2021 9,9 Millionen Euro mehr vom Land bekommen.

Sparzwang an anderer Stelle?

Auf diesen Brief geht die Verwaltung in ihrer Vorlage direkt ein. Es sei eben keine Entscheidung der Stadt, mit welchen Mitteln sie die Kita-Verpflegung bezuschusst. Laut einer Zuschrift des Innenministeriums wären die 3,8 Millionen Euro „in gleicher Höhe“ zu kompensieren.

Diese Sichtweise bestätigt das Sozialministerium in Kiel. Kommunen, die Konsolidierungshilfen erhalten, könnten freiwillige Aufgaben, die sie bereits vor der Kita-Reform übernahmen, „im bisherigen Umfang“ fortführen, so eine Sprecherin. Wolle diese aber die Kitas höher als vor der Reform bezuschussen, müsse der Konsolidierungsvertrag berücksichtigt werden.

Doch es gibt auch Differenzen in der Frage, ob das Land die Kita-Reform, die übrigens auch höhere Betreuungsschlüssel beinhaltet, ausreichend finanziert, oder die Kommunen überfordert. Die Stadtverwaltung Lübeck listete in einer Vorlage rund 8,5 Millionen Euro Mehraufwand für das Jahr 2021 auf, dem nur 7,5 Millionen Euro Mehreinnahmen gegenüber stehen. Das Sozialministerium verweist indes auf die „Überleitungsbilanz“, der zufolge der Anteil der Lübecks an den Kita-Kosten von vormals 37 Prozent im Jahr 2019 auf 33 Prozent in 2021 gesunken sei.

Was nun in Lübeck beschlossen wird, ist laut Jörn Puhle noch offen. Gleichwohl müssten die Eltern zum Start des neuen Kita-Jahres im August wissen, woran sie sind. Eine Lösung wird in der Regierung diskutiert: Die 1,1 Millionen Euro auf alle Familien zu verteilen. Das wären pro Monat und Kind 12,70 Euro.

Das Essen für die Stadt-Kita-Kinder würde immer noch auf 94 Euro erhöht. Für Mascha Benecke-Benbouabdellah ist das keine Lösung. „Es wäre nur eine minimale Entlastung bei einigen Trägern und eine massive Erhöhung beim städtischen Träger.“ Die Elternvertretung fordere deshalb einen Kostendeckel bei der Verpflegung für alle Träger, und perspektivisch die Reduzierung auf null. „Wenn benachbarte Städte und Bundesländer das können – warum kann Lübeck dies nicht?“

Die ebenfalls im Lübeker Stadtparlament vertretene Fraktion „Grün alternativ links“ (GAL) sieht indes auch die neue Landesregierung in der Pflicht. Diese sollte bei der Verpflegung anteilig Kosten übernehmen. Es sei schließllich eine soziale Aufgabe, Kinder mit gesundem Essen zu versorgen, sagt GAL-Geschäftsführerin Katja Mentz. „Und es ist gleichzeitig auch ein Bildungsauftrag“.

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