Hohe Abwassergebühren in Bremen: Abzocke mit Abwasser

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat entschieden: Die Abwassergebühren in Oer-Erkenschwick sind zu hoch. Bremer Gebühren enthalten denselben Fehler.

Ein Schacht mit Abwasser von oben fotografiert

Nicht nur das Bremer Unternehmen Hansewasser macht mit dem Abwasser ein gutes Geschäft Foto: Christian Charisius/dpa

BREMEN taz | Die Stadt Bremen will die Abwassergebühren im kommenden Jahr um fast 14 Prozent erhöhen. Das müsste nicht sein, sagt der Wasserexperte Ernst Mönnich, Professor an der Hochschule Bremen. Seit 2002 klagt der gegen zu hohe Abwassergebühren in Bremen, die Gerichte schieben die rechtlich komplizierte Frage aber vor sich her. Derzeit geht es darum, einen Gutachter zu bestellen.

Dabei hat das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Münster gerade in einem durchaus ähnlichen Fall entschieden, dass die Abwassergebühren der Stadt Oer-Erkenschwick um 18 Prozent zu hoch sind. „Das ist die Größenordnung, um die es auch in meinem Verfahren geht“, sagt Kläger Mönnich.

Christof Sommer, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes in Nordrhein-Westfalen, erklärt die Auswirkungen des Urteils: „Nach dem Urteil des OVG zur Berechnung von Abwassergebühren müssen viele Kommunen ihre Gebührenkalkulation überprüfen.“

Die Bremer Umweltbehörde will das Urteil aber offenbar nicht zum Anlasse nehmen, die Gebühren zu prüfen: „Zu Urteilen in anderen Kommunen gebe ich keine Kommentare ab“, erklärt Behördensprecher Jens Tittmann. Er verweist darauf, dass die angekündigte Gebührenerhöhung noch im kommunalen Betriebsausschuss und in der Bürgerschaft beschlossen werden müsse.

Zinssatz ist zu hoch angesetzt

Die Gebühren in Oer-Erkenschwick sind laut der Richter am OVG zu hoch, weil der Zinssatz für das in den Abwasserkanälen gebundene Kapital mit 6,25 Prozent zu hoch angesetzt sei. Seit Jahren liegen die Zinsen real aber niedriger – das OVG hält daher knapp 2,5 Prozent für angemessen.

In Bremen, so Mönnich, sei in den Verträgen mit der privaten Firma Hansewasser für 360 Millionen Euro Kapital ebenso ein rechnerischer Zinssatz von 6,5 Prozent eingesetzt worden – den Zinsvorteil streiche Hansewasser ein. Der fiktive Zinssatz werde auf die Bremer Gebührenzahler umgelegt. Das bedeutet: Wenn Mönnich Recht bekommen würde, wäre die aktuelle Gebührenerhöhung überflüssig und unbegründet.

Aber die Stadt Bremen hat im Jahr 2008 einem Vergleich zugestimmt, in dessen Folge die realen Kosten von Hansewasser vom Senat nicht mehr überprüft werden – bis zum Jahre 2028, denn dann läuft der Privatisierungsvertrag aus.

Die Bremer Umweltbehörde, die seit Jahren von Grünen geführt wird, ist verantwortlich für die Bremer Abwasser-Bescheide und damit Klagegegnerin von Mönnich. Wenn das zuständige Bremer Gericht schlicht die Argumentation des OVG Münster übernehmen würde, müsste Bremen die Gebühren senken – aufgrund der vertraglichen Bindung dem privaten Betreiber Hansewasser dennoch die volle Höhe des vereinbarten Entgeldes überweisen, inklusive der fiktiven Zins-Kosten.

Klageerfolg hätte Auswirkung für alle Verbraucher

Die Situation zeigt: Die Verträge, mit denen die Privatisierung vereinbart wurde, sind schlecht ausgehandelt. Jedenfalls schlecht für die Gebührenzahler. Die große Koalition unter Bürgermeister Henning Scherf (SPD) hatte 1999 als Verkaufserlös 362 Millionen Euro eingestrichen. Für die Gebührenzahler war das, sagt Mönnich, „ein denkbar schlechtes Geschäft“.

Wenn sich die Bremer Gerichte irgendwann mit der Klage von Mönnich beschäftigen, könnten sie auch den damals abgeschlossenen Vertrag infrage stellen. Dann würde Hansewasser weniger Geld aus den Gebühren für seine Gewinnausschüttung beanspruchen können. Das Unternehmen schüttet Jahr für Jahr über 12 Millionen Euro an seine Gesellschafter aus. Das entspricht einer Umsatzrendite von mehr als 15 Prozent – aus einem risikolosen Geschäft, bezahlt von den Bremer Abwasser-Gebührenzahlern.

Wann die Bremer Gerichte zu einem Urteil kommen, steht allerdings in den Sternen: Im Jahr 2014 hatte sich das Verwaltungsgericht geweigert, den Fall anzunehmen; man sei nicht zuständig – ein Fehler, wie das Oberverwaltungsgericht 2019 erklärte.

Für die öffentliche Hand gibt es beim Bremer Senat übrigens eine Preisüberwachungsstelle, die prüfen soll, dass die öffentliche Hand keine unangemessen hohen Preise zahlen muss. Zuständig ist die Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa. Diese Preisüberwachungsstelle ist eingeschaltet, bisher ohne Ergebnis.

Sollte die Klage tatsächlich Erfolg haben, würde nicht nur der Kläger profitieren: Mönnich hatte ein Normenkontrollverfahren beantragt, damit nicht nur sein privater Abwasserbescheid korrigiert werden muss, sondern die neue Rechtslage dann für alle Bremer gilt.

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