Frauenfußball vor der EM: Wird doch!

Die EM in England wird den Frauenfußball auf eine andere Ebene heben. Und doch steht das Spiel der Frauen unter der Fuchtel des Männerfußballbusiness.

Spielszene, bei der die ballführende Spielerin Ouahabi von einer Gegenspielerin verfolgt wird

Die ballführende Spanierin Leila Ouahabi fällt durch gutes Spiel und banale Statements auf Foto: Molly Darlington/reuters

Nun also der nächste Schritt. Mit der Europameisterschaft soll ein neues Level im Spiel der Frauen erreicht werden. Sportlich, finanziell und vom Interesse der Fans her. So ist das, wenn Frauen Fußball spielen. Von oben herab blickt dann die Sportwelt auf die Fußballerinnen herunter: Dann zeigt gefälligst mal, was sich in den Jahren seit dem letzten großen Turnier getan hat! Wo dieses Oben liegt, ist offensichtlich. Es liegt auf dem Niveau des professionellen Männerfußballs: sportlich, finanziell und vom Interesse der Fans her. Von der entwickelten Fußballwelt schaut man also runter auf das Entwicklungsgebiet Frauenfußball: gönnerhaft, beinahe schon kolonial.

Da ist es fast schon folgerichtig, dass es Männer sind, die sich die Entwicklung des Frauenfußballs zu ihrem Projekt gemacht haben. Gianni Infantino, der Fifa-Präsident mit Wohnsitz in Katar, wird nicht müde, von den Chancen zu sprechen, die im Frauenfußball liegen. Und die großen Klubs aus den großen europäischen Fußballigen haben längst Frauenteams in den oberen Ligen platziert, um dort zeigen zu können, wo der Fußball zu Hause zu sein hat: bei den traditionallen Großklubs aus München, Mailand oder Barcelona, bei den von Öl- und Gasmillionen gepäppelten Imagewaschmaschinen von Emiraten wie Abu Dhabi und Katar, in Paris und Manchester.

In dieser Welt des europäischen Großfußballs gehören so traurige Sätze wie der folgende zur banalen Normalität des Business rund um den Ball. „Manchester City war immer ein Team, auf das ich ein Auge geworfen habe, ich mag ihre Art, Fußball zu spielen, und die DNA des Klubs ist so aufregend.“ Das hat Leila Ouahabi gesagt, nachdem sie ihren Wechsel vom FC Barcelona nach England bekannt gegeben hatte.

Sie spielte links hinten, als Barcelona im vergangenen Jahr die Champions League gewonnen hat, und zählt zum Kader der spanischen Nationalmannschaft, die zu den Favoriten bei dieser WM gehört. Dass sie eine der besten Spielerinnen der Welt auf ihrer Position ist, würde wohl niemand bestreiten. Ob sie eine interessante Persönlichkeit ist, darf schon jetzt kaum mehr jemand wissen. Die von den Medienabteilungen glatt gebügelten Spielerinnenstatements gehören zum Weg nach oben, wie ihn die Männer aus der Fußballwelt vorgezeichnet haben. Wer wissen möchte, wie sie in der Welt gesehen wird, kann ihren Instagram-Account abonnieren. Mehr als 200.000 Menschen tun das bereits. Dort ist offensichtlich, dass sie eine Sponsoringpartnerschaft mit dem US-Sportartikelhersteller Nike eingegangen ist.

Star für ein paar Tage

Wird doch, mag sich denken, wer vom Niveau des Männerfußballs auf die Fußballerin herunterblickt. Nur beim Marktwert, da ist noch viel Luft nach oben. Mit 125.000 Euro gibt den das Portal soccerdonna.de an. Das ist ein Ableger des zum Axel-Springer-Konzern gehörenden Portals transfermarkt.de, wo die geschätzten Spielerwerte so glaubwürdig präsentiert werden, dass sie wie Börsenwerte in vielen Sportpublikationen zitiert werden, von wo aus sie dann zum Gesprächsthema an den Fußballstammtischen des Landes werden.

An denen wird bislang selten über das Spiel der Frauen gesprochen. Nur zu Großereignissen, wenn die Fußballerinnen es mal ins Hauptabendprogramm der großen Sender schaffen, dann kann es schon mal sein, dass auch mal über das Können einer Fußballerin geschwärmt wird. So wurde etwa die Japanerin Homare Sawa zum Star für ein paar Tage, nachdem sie bei der WM in Deutschland im Finale Japan auf schier unbegreifliche Art den Ball mit der Hacke ins Elfmeterschießen gegen die USA befördert hatte. Da schien der Fußball der Frauen reif zu sein für den großen Aufbruch in Richtung Professionalität. Das Eröffnungsspiel der WM im Berliner Olympiastadion zwischen Deutschland und Kanada sahen über 70.000 Menschen, und die seit 2006 unvermeidliche Sommermärchenmetapher war besonders oft zu hören.

Elf Jahre später ist dieses Turnier längst vergessen, auch weil der vom Deutschen Fußball-Bund in schierer Arroganz beinahe fest eingeplante Titel an das Team aus Japan gegangen war. Dafür hat sich die Bundesliga stark verändert. Hießen die besten Mannschaften damals Turbine Potsdam, 1. FFC Frankfurt und FCR 2001 Duisburg, standen nach dieser Saison der VfL Wolfburg, Bayern München und Eintracht Frankfurt oben in der Abschlusstabelle. Die großen Klubs des Männerfußballs haben den Fußball der Frauen geentert.

Auch in den anderen Ligen Europas bestimmen die bekannten Großklubs längst das Geschehen in den Frauenligen. Suchte man bis 2020 beim Blick auf die spanische Liga noch vergeblich nach Real Madrid, kamen in der abgelaufenen Sasion 90.000 Zuschauer, als der FC Barcelona sein Heimspiel gegen die Königlichen ausgetragen hat. Ein Duell fast ohne jegliche Geschichte war in Rekordzeit zum Clasico geworden. Und natürlich gibt es längst Transfermeldungen, die Frauen von Real Madrid betreffend. Dass die schwedische Stürmerin Kosovare Asllani nach dem Sommer für AC Mailand spielen wird, war eine davon. Da tut sich also was, wird man wohlwollend feststellen, wenn man mit der Brille des Männerfußballs herabblickt auf die Frauen.

Schmuckwerk Frauenfußball

Da wird dann auch wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass es immer mehr Fußballverbände gibt, die den Frauen genauso viel bezahlen wie den Männern. In den USA mussten sich die Spielerinnen das erklagen. Norwegens Superstar Ada Hegerberg spielt fünf Jahre lang nicht für die Nationalmannschaft, weil sie Gleichbehandlung mit den Männern forderte. Nun bekommt sie die gleichen Einsatzprämien wie ein männlicher Profi. In Dänemark, Spanien, der Schweiz, den Niederlanden oder Brasilien ist das ebenfalls so.

Auch hier mag so mancher gönnerhaft den Daumen heben, und doch ist nicht zu übersehen, dass sich der Frauenfußball in Europa zu einem Anhängsel des großen Fußballbusiness entwickelt, in dem sich die großen Klubs mit ihrem Engagement für die Frauen schmücken. Je perverser das große Geschäft mit Spielern wird, je irrwitziger die Transfersummen und Gehälter eines Profis und je geschmackloser die Herkunft des Geldes, desto wichtiger werden die Frauenabteilungen der Klubs für die Imagepflege. Mit jeder von den Männerklubs wohl dosierten Professionalisierung, verliert der Fußball der Frauen seine Rolle als Alternativmodell zur überdrehten Welt des Männerfußballs. Die meist von Männern geführten Verbände und Klubs werden weiterhin alles dafür tun, die Emanzipation des Spiels der Frauen unter Kontrolle zu behalten.

Worauf sie keinen Einfluss haben, ist das Spiel auf dem Platz. Das unterscheidet sich ohnehin nicht groß von dem der Männer. Und so wird auch die EM, die am Mittwoch in Manchester beginnt, typische Fußballgeschichten rund um Traumtore, enge Spiele, bittere Niederlagen und den einen ganz großen Sieg schreiben.

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