Nach der Parlamentswahl in Frankreich: Sieg für die Demokratie

Frankreichs Parlament ist kein bloßer Abnickverein mehr. Aber: Obwohl das linke Bündnis stark hinzugewann, wird sich Macron wohl nach rechts bewegen.

der linke französische Politiker Mélenchon redet an einem Pult

Gestärkt, aber ohne eigene Mehrheit: der Linke Jean-Luc Mélenchon in der Wahlnacht Foto: Michel Euler / ap

Emmanuel Macron muss wenige Wochen nach seiner Wiederwahl als Präsident eine demütigende Niederlage einstecken. Wer wird in den kommenden Jahren in Frankreich regieren? Die Frage ist offen nach den Parlamentswahlen am Sonntag. Das erst gerade neugebildete Ministerkabinett von Elisabeth Borne hat keine handlungsfähige Mehrheit mehr. Die Allianz von Präsident Emmanuel Macron hat nicht einmal genug Sitze zur Bildung einer Minderheitsregierung, die sich mit Absprachen und Kompromissen von Fall zu Fall durchwursteln könnte.

Am Wahlabend herrschte die Befürchtung, dass mit diesen Wahlen Frankreich gänzlich regierungsunfähig geworden sei. Heute führt kaum noch ein Weg an Verhandlungen für eine Koalitionsregierung vorbei. Was in Nachbarländern mit diversen Koalitionen seit Langem an der Tagesordnung ist, gab es aber seit mehr als 60 Jahren nicht mehr in Frankreich, weil immer der Staatschef das exklusive Machtzentrum war.

Der gleichzeitige Erfolg der linken und rechten Oppositionsparteien, welche die Zahl ihrer Sitze im Vergleich zu 2017 je rund verzehnfacht haben – in Frankreich gilt das Mehrheitswahlrecht, je­de*r Abgeordnete muss seinen Wahlkreis gewinnen -, verspricht sehr belebte Debatten in der zukünftigen Nationalversammlung. Der Ausgang der Wahlen ist in dieser Hinsicht ein Sieg für die parlamentarische Demokratie.

Die Nationalversammlung wird sich nicht mehr darauf beschränken, die Regierungsvorlagen durchzuwinken, wie dies im französischen Präsidialsystem meistens die Regel war. Die Bür­ge­r*in­nen haben mit ihrem Votum dem Präsidenten und seiner Alleinherrschaft ihr Misstrauen ausgesprochen.

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Macrons Mitte muss sich erweitern

Da aber weder die linke noch die rechte Opposition eine Mehrheit bekommt, zeichnet sich auch kein Machtwechsel ab. Macrons bisherige Allianz muss Koalitionspartner finden. Die Konsequenz davon wird eine behelfsmäßige Erweiterung der schon bisher breiten Mitte um Macrons Bewegung „En marche“ sein. Und da sich dazu kaum andere zusätzliche Kräfte anbieten als die Konservativen, wird Macrons „Mitte“ nach dieser dritten Wahlrunde fast zwangsläufig nach rechts rutschen.

Das paradoxe Ergebnis der spektakulären Sitzgewinne der linken Wahlunion NUPES wird es darum sein, dass die Regierungspolitik, statt sozialer und ökologischer zu werden, in die Gegenrichtung gleitet. Was dies konkret bedeutet, wird sich schon bald in der Debatte über die von Macron gewollte Rentenreform zeigen. Die vierte Runde wird dann – wie Macron eigentlich aus der Erfahrung mit den Gelbwesten wissen müsste – erneut auf die Straße verlagert.

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Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.

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