Draghis Kunst- stück

Italien bezieht Gas aus Moskau und liefert Waffen an Kiew. Doch im Parlament wird es eng

Aus Rom Michael Braun

Melnyk heißt der Botschafter der Ukraine in Rom, ganz wie sein Amtskollege in Berlin. Doch so gleich der Nachname beider Diplomaten auch ist: Sie könnten kaum unterschiedlicher auftreten. Während Andrij Melnyk in Deutschland medial dauerpräsent ist und die Bundesregierung samt Kanzler Olaf Scholz beißend kritisiert, wird Jaroslaw Melnyk in Italien kaum je wahrgenommen.

Dies liegt auch daran, dass die Beziehungen zwischen Rom und Kiew kaum angespannt sind. Italiens Ministerpräsident Mario Draghi sagte auf der Reise mit Scholz und Emmanuel Macron nach Kiew zwar: „Wladimir Putin dachte, er könnte uns auseinanderdividieren, aber damit ist er gescheitert.“ Doch in einigen Punkten setzt Rom andere Akzente als Berlin oder Paris.

Gewiss, bei den Sanktionen gegen Russland ist die Einigkeit mit Deutschland groß. Italien importiert 40 Prozent seines Erdgases aus Russland – und ist wie Deutschland gegen einen schnellen Stopp der Zufuhr. Doch schon bei den Waffenlieferungen verfolgt Italien einen anderen Ansatz: Es liefert – und schweigt. Leichte Waffen, schwere Waffen, Defensiv- oder Offensivgerät? Diese Debatte findet in Rom nicht statt. Schon am 1. März hatte das italienische Parlament die Lieferung von Kriegsgerät an die Ukraine gebilligt. Wie viel und was genau dann aber geschickt wurde, bleibt Staatsgeheimnis.

Deutlich anders als Macron oder Scholz positioniert Draghi sich in der Frage eines EU-Beitritts der Ukraine. Der italienische Regierungschef hatte sich bereits im März für einen „schnellen“ Beitritt ausgesprochen. Unklar ist, ob ihm die Notstandskoalition im Parlament auf seinem Kurs folgt. Am 21. Juni steht dort eine Ukraine-Debatte an; sie könnte die Bruchlinien in der Koalition zutage treten lassen.

48 Prozent der Ita­lie­ne­r*in­nen sind laut einer aktuellen Umfrage gegen weitere Waffenlieferungen an die Ukrai­ne, und gleich zwei Parteien machen sich diese Haltung zu eigen. Da wäre vorneweg die rechtspopulistische Lega des Putinfreundes Matteo Salvini, der „Diplomatie statt Waffen“ fordert und der Ende Mai zu Putin reisen wollte. Und auch die Fünf Sterne unter dem früheren Ministerpräsidenten Giuseppe Conte wollen keine Waffen mehr liefern.