Stichwahlen in Frankreich: Macrons taktisches Dilemma

Im entscheidenden Durchgang der Parlamentswahlen stehen sich oft zwei Kan­di­da­t*in­nen gegenüber. Das bringt das Macron-Lager in eine Zwickmühle.

Präsident Macron vor einer Wahlkabine.

Le Pen verhindern ohne Präsident Macrons Partei „La République en Marche“ zu wählen? Foto: Ludovic Marin/ap

PARIS taz | Nur fünf Kan­di­da­t*in­nen haben im ersten Durchgang der französischen Parlamentswahlen ihren Abgeordnetensitz auf Anhieb errungen. Vier davon gehören zur linken Volksunion Nupes, die immer noch hofft, den Staatspräsidenten Emmanuel Macron im zweiten Wahlgang um seine Mehrheit in der Nationalversammlung zu bringen. Im ersten Durchgang lag das Macron-Lager nur hauchdünn vor der linken Union. In fast allen Wahlkreisen kommt es am Sonntag zu Wahlduellen, nur in ganz wenigen Fällen konnten sich drei Kan­di­da­t*in­nen für das Finale qualifizieren.

Das ist die Konsequenz eines Wahlsystems, das die Sitze nicht nach den prozentualen Ergebnissen von Listen zuteilt. In wenigen Fällen haben sich Drittplatzierte von Nupes freiwillig zurückgezogen, damit nicht die extreme Rechte das Rennen macht.

Vor einem Dilemma steht nun Macrons politische Allianz Ensemble, wenn in den Wahlduellen Ver­tre­te­r*in­nen der Nupes gegen die extreme Rechte von Marine Le Pens Rassemblement National (RN) antreten. Wie soll da die Wahlempfehlung für die Finalrunden ohne eigene Be­wer­be­r*in­nen lauten?

Für die bürgerliche Rechte ist da die Sache klar: Sie empfiehlt ihren Anhänger*innen, gar nicht zwischen „Extremisten“ von links und rechts zu wählen. Doch für die Macronisten, die sich politisch in der Mitte und sowohl links wie rechts situieren, wird die Antwort auf die taktische Frage der Wahlparole schon komplizierter.

Sollen sie generell oder nur von Fall zu Fall die linke Nupes, eine Allianz von Sozialisten, Kommunisten und Grünen mit Jean-Luc- Mélenchons France insoumise (LFI), gegen das rechtsextreme RN unterstützen? Oder sich für neutral erklären und die Wahl den Bür­ge­r*in­nen überlassen oder empfehlen, einen leeren Wahlzettel in die Urne einzulegen?

Macrons Mehrheit wackelt
Plakatierer für Jean-Luc Mélenchons Partei "Nupes" in der Dunkelheit.

Unterstützer der linken Sammlungspartei Nupes beim Plakatieren in Straßburg am 14. Juni 2022 Foto: Jean-Francois Badias/ap

Da für den Staatspräsidenten bei diesen Wahlen die Linke eindeutig der Hauptgegner ist, fällt es seiner Allianz erst recht schwer, der an die Macht drängenden Nupes irgendeinen Vorzug zu geben – oder sie für weniger gefährlich zu erklären als Marine Le Pens Kandidat*innen.

Wie sehr der Präsident selbst beunruhigt ist, belegt sein Appell auf seiner Reise nach Rumänien und Moldawien in den vergangenen Tagen. Vor dem Abflug ersuchte er seine Landsleute, ihm „im höheren Interesse der Nation“ am Sonntag eine „klare und solide Mehrheit“ zu geben. Diese benötige er, um seine Reformen zu verwirklichen, seine Außenpolitik fortzusetzen und den Einfluss Frankreichs in der Welt geltend zu machen.

Bei einer Nupes-Wahlveranstaltung in Toulouse am Dienstagabend höhnte Jean-Luc Mélenchon, der selbst nicht für einen Abgeordnetensitz antritt: Ob Macron nun jedes Mal einen solchen „Sketch auf der Landepiste“ vorhabe? Doch seine eigene Linie ist kaum klarer. In den 108 Wahlkreisen, in denen die Nupes ausgeschieden ist, lautet die Devise der Wahlunion lediglich: „Keine Stimme für die extreme Rechte.“

Genau das hatte Mélenchon auch für die Stichwahl der Präsidentschaftswahlen gesagt, an der er als Drittplatzierter nicht teilnehmen konnte. In sieben Fällen allerdings empfiehlt die Nupes explizit, Kan­di­da­t*in­nen der bisherigen Regierungsmehrheit zum Sieg über den RN zu verhelfen.

Ende der „republikanischen Front“?

Lange gab es in Frankreich die stillschweigende Regel der „republikanischen Front“, um eine Wahl von Leuten der Le-Pen-Partei zu verhindern. Damit sollte verhindert werden, dass die Po­li­ti­ke­r*in­nen einer rassistischen Rechten die Legitimität einer parlamentarischen Vertretung erhalten. Die linken Parteien haben diese Regel konsequent respektiert.

Nach einigem Hin und Her will sich nun Macrons Allianz Ensemble grundsätzlich an diese Tradition halten, und ihre Wäh­le­r*in­nen auffordern, keine RN-Leute zu wählen. Ebenso wenig aber komme es in Frage, Nupes-Kandidat*innen den Vorzug zu geben, wenn diese „die Werte der Republik nicht respektieren, die Polizisten beschimpfen, die Ukraine nicht unterstützen oder aus Europa austreten wollen“. So wenigstens versuchte Premierministerin Elisabeth Borne eine Trennlinie zu definieren. Wer damit nicht zufrieden ist, muss selbst entscheiden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.