Flüssiggas? Ist gar kein Problem!

Einige Umweltpolitiker der Koalition halten Investitionen in Gas für unumgänglich

Von Anna Lehmann

Es ist der umstrittenste Punkt in der Abschluss­erklärung der G7-Staaten: Die mit Steuergeldern geförderte Erschließung neuer Gasvorkommen im Ausland soll auch nach 2022 möglich sein. Eigentlich hatten die sieben wirtschaftsstärksten westlichen Industrieländer noch im Mai vereinbart, keine Investi­tionen für neue Gasquellen im Ausland mehr bereitzustellen. Anfang der Woche nahmen sie diese Selbstverpflichtung zurück, auch auf maßgeblichen Druck Deutschlands. Von Umweltverbänden hagelte es Kritik.

Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin verteidigt diesen Schritt gegenüber der taz: „Es ist leider notwendig, temporär mehr Gas zu fördern, um dem russischen Gas zu entfliehen.“

Von den 650 Milliarden Kubikmetern Gas, die weltweit gehandelt würden, stamme ein Fünftel aus Russland. „Wenn wir auf diese 150 Milliarden Kubikmeter verzichten, was politisch völlig richtig ist, müssen wir in neue Infrastruktur investieren.“ Voraussetzung sei, dass dies im Rahmen enger Grenzen und ohne Abhängigkeitsverhältnisse zu schaffen, geschehe. „Wollen wir keinen Lock-in, müssen die Abschreibungsfristen sehr kurz sein. Das geht nur mit Staatsgarantien.“

Trittin hält eine Ausweitung der Gasförderderung auch im Zusammenhang mit den globalen Folgen des westlichen Boykotts von russischem Gas für geboten: „Die Industrieländer sichern sich in dieser Situation Optionen auf Flüssiggas zu Preisen, die sich arme Länder nicht leisten können. Ohne zusätzliche Gasmengen wären sie dann gezwungen, wieder auf Kohle umzusteigen. Dies würde noch mehr CO2 emittieren“, befürchtet Trittin.

Konkret geht es um Gasvorkommen vor den Küsten Senegals und Mauretaniens. Das Gasfeld Greater Tortue Ahmeyim umfasst nach Angaben des Betreibers BP etwa 425 Milliarden Kubikmeter Gas. In der Abschlusserklärung der G7 heißt es nun: Um unabhängig von russischem Gas zu werden, spiele Flüssiggas eine große Rolle. „Unter diesen außergewöhnlichen Umständen können öffentliche Investitionen in den Gassektor geeignete Übergangslösungen sein.“ Sie müssten aber mit den Klimazielen vereinbar sein.

Der Staatssekretär im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Jochen Flasbarth, sieht es ähnlich wie Trittin: „Die Alternative wäre, bei russischem Gas zu bleiben oder sich in einseitige Abhängigkeit von Staaten wie Katar zu begeben.“ Er hält es noch nicht für ausgemacht, dass tatsächlich öffentliche Investitionen nötig sein werden, um die Gasvorkommen im Senegal zu fördern, oder ob es reiche, dass die künftigen Abnehmer langfristige Zusagen machten. Fest stehe aber: „Deutschland fällt ab 2040 als Abnehmer von Gas aus.“