Energie sparen in Kriegszeiten: Politik unter der Dusche

Robert Habeck will, dass Bür­ge­r:in­nen kürzer duschen. Dabei lädt er die Handlungsmacht Einzelner moralisch auf – als ob sie nicht genug Last trügen.

Männerrücken unter der Dusche.

„Ich dusche schnell“, sagt Wirtschaftsminister Habeck von sich (hier nicht im Bild) Foto: Westend61/getty

Heute Morgen stand ich unter der Dusche und habe mich gefühlt wie Wolfgang Kubicki von der FDP. Der hat nämlich als Entgegnung auf den grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck gesagt: „Ich dusche so lange, bis ich fertig bin“ – und ich habe tatsächlich auch erst aufgehört zu duschen, als ich fertig war.

Hinzu kommt, dass ich beim Duschen ganz vergessen habe, die Zeit zu stoppen, und deshalb, anders als Minister Habeck, gar nicht sagen kann, wie lange genau ich da stand. Die Lage auf den Gasmärkten spitzt sich wegen des andauernden Kriegs zu. Habeck appelliert deshalb an die Bevölkerung, Energie zu sparen, wo es geht. Wie es sich für einen Minister gehört, der mit Hundeblicken die politische Kommunikation revolutioniert, geht er im Spiegel-Interview von vergangenem Freitag mit gutem Beispiel voran: „Meine Duschzeit habe ich noch mal deutlich verkürzt (…). Ich hab noch nie in meinem Leben fünf Minuten lang geduscht. Ich dusche schnell.“

Dabei weiß Habeck natürlich, dass man als Minister heutzutage seine Privilegien checken muss: „Aber ich bin ein schlechtes Beispiel. Als Minister habe ich ein Gehalt, von dem andere nur träumen können.“ Und dass man, zumindest rhetorisch, die Leute nicht vergessen darf, „die so wenig Geld haben, dass sie schon längst alles, was man sparen kann, sparen“. Diese Menschen aufzufordern, noch mehr zu sparen, könne „zynisch“ sein.

Demonstratives soziales Bewusstsein

Doch bekommt dieses demonstrative so­zia­le Bewusstsein eben einen kalkulierten, berechtigter Kritik zuvorkommenden Charakter, wenn Kommunikationsmeister Habeck gleichzeitig nicht möchte, dass sich Menschen mit materiellen Fragen aufhalten: Er wolle nicht „in einem Land leben, wo man sich nur noch bewegt, wenn es Geld dafür gibt“, hat er kürzlich im ZDF-„heute journal“ auf die Frage nach möglichen Energiesparanreizen geantwortet.

Aber wofür denn dann, Alter?

„Menschen sollen sich nicht fragen müssen, was sie kriegen, sondern sie sollen es tun, weil sie Bock haben, in diesem Land zu leben, weil sie Stolz und Freude dabei empfinden, für andere etwas zu tun“, so Habeck weiter. Wahrscheinlich ist das auch nur einer der Widersprüche eines angesichts der widersprüchlichen Weltlage performativ unter den Widersprüchen leidenden Wirtschaftsministers.

Wenn man sich nun im Duell Habeck vs. Kubicki für einen der beiden entscheiden müsste?

Dann lautete meine Antwort: Für keinen, weil sich beide gleichen. Während die einen davon ausgehen, dass die Marktlogik über die instinktiven Handlungen der Einzelnen automatisch zum Idealzustand führt, überhöht der andere die Handlungsmacht der Einzelnen und lädt sie moralisch auf – als ob viele Menschen nicht schon genug Last trügen. Beide lenken davon ab, dass die Frage der Energiekrise keine individuelle, sondern eine politische ist. Und politische Fragen klärt man nicht unter der Dusche.

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Kolumnist (Postprolet) und Redakteur im Ressort taz2: Gesellschaft & Medien. Bei der taz seit 2016. Schreibt über Soziales, Randständiges und Abgründiges.

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