Suche nach dem besseren Leben endet im Lkw

Im US-Bundesstaat Texas werden 46 Menschen bei großer Hitze tot in einem Auflieger nahe San Antonio gefunden. Das löst eine neue Debatte über Migrationspolitik aus

Schaulustige fotografieren den Lastwagen-Auflieger, in dem 46 Menschen gestorben sind Foto: Kaylee Greenlee Beal/reuters

Von Bernd Pickert

Es ist das folgenschwerste Migrationsunglück an der US-Südgrenze in der jüngeren Geschichte: 46 Menschen wurden am Montag tot im Auflieger eines Lkwnahe der texanischen Stadt San Antonio aufgefunden. 16 weitere, darunter mehrere Frauen und Kinder, wurden noch lebend geborgen und in Krankenhäuser gebracht. Drei Personen wurden im Zusammenhang mit dem Vorfall festgenommen, Genaueres war zunächst nicht bekannt.

Auch die Herkunft der Menschen blieb zunächst unklar. Verschiedene Quellen sprechen unter anderem von Menschen aus Guatemala und Honduras.

Todesursache war offenbar die große Hitze in dem geschlossenen Wagen. In San Antonio herrschten am Montag Temperaturen von rund 38 Grad Celsius. Die Toten seien fühlbar heiß gewesen, sagte Feuerwehrchef Charles Hood. Der Lkw habe eigentlich über ein Kühlsystem verfügen sollen, man habe aber keine Klimaanlage oder Ähnliches entdeckt. Auch Trinkwasser habe es im Wagen nicht gegeben.

San Antonios Bürgermeister Ron Nirenberg (parteilos) sprach von einer „menschlichen Tragödie“. „46 Individuen sind nicht mehr unter uns. Sie hatten Familien und sie waren auf der Suche nach einem besseren Leben“, sagte er.

Weniger empathisch reagierte Texas’ republikanischer Gouverneur Greg Abbott, der den Vorfall zu einer politischen Attacke auf US-Präsident Joe Biden nutzte. „Diese Toten gehen auf Biden“, schrieb er auf Twitter, „Sie sind ein Ergebnis seiner tödlichen Politik der offenen Grenzen.“

Tatsächlich allerdings steigen Menschen nach einem heimlichen Grenzübertritt in solche Lkws, um versteckt vor Polizei und Migrationsbehörde aus dem Grenzgebiet zu kommen – das Gegenteil einer offenen Grenze. Der Demokrat Beto O’Rourke, der bei den Wahlen im November gegen Abbott antritt, sagte, der Vorfall unterstreiche die Notwendigkeit einer Migrationsreform. „Wir müssen dringend handeln – die Schmugglerringe auflösen und sie ersetzen durch ein ausgeweitetes System der legalen Migration,“ twitterte O’Rourke.

Abbott baut seinen gesamten Wahlkampf auf den Kampf gegen illegale Einreisen auf. Die Zahlen sind in den letzten Monaten extrem in die Höhe geschossen. Allein im Mai griffen US-Behörden 239.000 Menschen in Grenznähe auf – ein Allzeithoch. Abbott war so weit gegangen, als Wahlkampfaktion festgenommene Mi­gran­t*in­nen per Bus nach Washington zu schicken und sie vor dem Capitol auszusetzen.

“Es wird nicht das letzte Mal sein, dass so etwas passiert“

Cesar Espinosa, Anwalt für die Organisation Fiel

Betroffen reagierten vor allem Migrationsorganisationen auf den tödlichen Fund vom Montag. „Wir sind erschüttert über die Nachricht,“ sagte Cesar Espinosa, ein Anwalt für die ­Migrantenrechtsorganisation Fiel in Houston. „Es ist leider nicht das erste Mal und es wird leider nicht das letzte Mal sein, dass so etwas passiert, solange wir keine Wege der sicheren Einreise in die USA schaffen“, sagte er.

2003 waren nahe der Stadt Victoria im Süden von Texas in einem überhitzten Lkw-Auflieger die Leichen von 17 Mi­gran­t*in­nen gefunden worden. Sie hatten verzweifelt versucht, mit bloßen Händen Löcher in die Außenwand zu reißen, um frische Luft zu bekommen.

Verschiedene Organisationen fordern jetzt die sofortige Aufhebung des sogenannten „Title 42“ – eine mit der Coronapandemie begründete Verordnung aus der Ära von Präsident Trump, nach der jegliche Einreise in die USA an der Südgrenze abgeblockt werden kann. Die Biden-Regierung wollte die Regelung kürzlich aufheben – US-Gerichte sorgten dafür, dass sie in Kraft blieb.