Ex-AfD-Chef hat neue Partei: Meuthen geht zum Zentrum

Der ehemalige AfD-Chef Meuthen sucht sein Glück in einer katholischen Splitterpartei, die sich rühmt, sechsmal den Reichskanzler gestellt zu haben.

Meuthen im Profil mit Anzug und weißem Hemd

Meuthen will schlauer sein als Lucke und Petry Foto: Kay Nietfeld/dpa

BERLIN taz | Jörg Meuthen will es schlauer anstellen als seine beiden Vorgänger:innen, ein bisschen zumindest. Bernd Lucke und Frauke Petry, beide geschasste AfD-Vorsitzende wie Meuthen auch, traten aus der Partei aus und versuchten dann, neue zu gründen und mit diesen an den AfD-Erfolg anzuschließen. Das scheiterte bekanntlich. Meuthen tritt nun, wie er am Freitagvormittag mitteilte, in eine bestehende Partei ein. Das Zentrum allerdings ist auch nichts anderes als eine Splitterpartei mit 500 Mitgliedern, wenn auch eine mit sehr langer Tradition.

Bei der Pressekonferenz in Berlin betonte der Schatzmeister des Zentrums, Hans-Joachim Woitzik, denn auch, seine Partei sei älter als die SPD. Und: „Im Kaiserreich und auch in der Weimarer Republik stellte das Zentrum sechsmal den Reichskanzler.“ Seit Mitte der 50er Jahre aber ist die Partei des politischen Katholizismus vollständig unbedeutend.

Noch vor wenigen Jahren war die Partei bestenfalls mit radikalen Anti-Abtreibungskampagnen samt Flyern mit zerstückelten Föten aufgefallen. Diese Ansicht teile man nicht mehr, sagte Parteichef Christian Otte. „Wir haben kein Problem mit der aktuellen Gesetzeslage.“ Generell habe sich die Partei seitdem modernisiert. Im Januar war bereits der ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Uwe Witt zum Zentrum gewechselt. Mit Meuthens Eintritt stellt die Partei nun auch einen Abgeordneten im Europäischen Parlament.

Meuthen selbst gab sich am Freitag alle Mühe, den Eindruck vom Tisch zu wischen, der Eintritt ins Zentrum sei eine Verzweiflungstat. Er betonte, die Partei sei „eine politische Heimat, wie ich sie immer gesucht habe“. Die Partei stehe für das, was in der deutschen Politik derzeit fehle – „wertebasierte, aber unideologische bürgerliche Vernunft“. Sie habe aus zwei Gründen Potential: Weil der vermeintliche Links-Kurs der CDU auch unter ihrem neuen Vorsitzenden anhalte und weil die AfD im Niedergang sei.

Eine AfD 2.0 soll es nicht geben, laut Meuthen

Bei der Landtagswahl in NRW, wo die Wahlbeteiligung auf 55 Prozent gesunken sei, sei die Repräsentationslücke sehr deutlich geworden. Schon bei der Landtagswahl in Niedersachsen im September wolle man ein Zeichen setzen. Für radikales oder extremistisches Gedankengut habe es im Zentrum noch nie einen Platz gegeben, betonte Meuthen. „Das Zentrum wird definitiv nicht zu einem Sammelbecken ehemaliger AfD-Mitglieder werden. Eine AfD 2.0 wird es mit mir nicht geben.“

Meuthen, der sechseinhalb Jahre lang Vorsitzender der AfD war, hatte diese Ende Januar verlassen und das mit einem zu radikalen Kurs vieler Par­tei­funk­tio­nä­r:in­nen begründet. Allerdings hatte er lange selbst mit dem inzwischen offiziell aufgelösten völkischen „Flügel“ um den Rechtsextremisten Björn Höcke paktiert, um sich an der Spitze zu halten. Zuletzt hatte er versucht, einen weiteren Rechtsruck zu verhindern, mit seinem Austritt kam er einer Entmachtung zuvor.

Im Europaparlament wolle er bleiben, auch nach der anstehenden Wahl 2024, sagte Meuthen, der derzeit fraktionsloser Abgeordneter ist. Dabei verwies er auf die Möglichkeit transnationaler Listen. Der 60-Jährige ließ keinen Zweifel daran, dass er unbedingt weiter Politik machen will. Er genoss auch sichtlich die Aufmerksamkeit und die zahlreichen Fragen der Presse.

Meuthen hätte die letzten Jahre bis zur Rente auch einfach auf seine Wirtschaftsprofessur an der Hochschule für öffentliche Verwaltung im baden-württembergischen Kehl zurück gehen können. Das sei höchstens die Ultima Ratio, sagte Meuthen. Möglicherweise muss er diese Karte aber bereits 2024 ziehen – wenn es bei der Europawahl mit dem Wiedereinzug nicht klappt. Ganz ähnlich wie bei Lucke und Petry.

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