Klaus Hübotter ist tot: Vom Bürgerschreck zum Ehrenbürger

Sein linksradikales Engagemant war groß. Das hinderte Klaus Hübotter nicht, Baulöwe, Stadtbildretter und Ehrenbürger von Bremen zu werden.

Klaus Hübotter vor einem Garten

Mit 92 Jahren gestorben: Klaus Hübotter Foto: Eckhard Stengel/Imago

BREMEN taz | Seltsamerweise überrascht die Nachricht und auf jeden Fall ist sie traurig. Dass ein 92-jähriger stirbt, klar, das ist der Lauf der Welt. Aber Klaus Hübotter, Gründer der linksradikalen Zeitschrift konkret und erfolgreicher Bauunternehmer, war in Bremen bis zuletzt viel präsenter als die meisten Jüngeren und so viel aktiver, dass es gar nicht in den Sinn kommen konnte, dass er irgendwann mal nicht mehr da sein würde: Und nun ist er am Montag gestorben.

„Er reißt eine Lücke“, hat Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) die Nachricht kommentiert, und, ja doch, das ist eine Floskel, aber sie fühlt sich ungewöhnlich wahr an. Seit 2010 Bremer Ehrenbürger, hat Klaus Hübotter, 1930 in Hannover geboren, die Stadt an der Weser, in der er seit 1962 wohnt, in den vergangenen 60 Jahren mehr und nachhaltiger geprägt als irgendeine andere Einzelpersönlichkeit.

Vom Einsatz für das Kulturzentrum „Schlachthof“ – in dem die „Toten Hosen“ debütierten – über die Rettung des gigantischen Backstein-Speichers XI, der seither als Kunsthochschule dient, und über den Erhalt des einzigartigen Raum-in-Raum-Konstrukts des Sendesaals, eines Akustik-Wunders, bis zum inklusiven Wohnprojekt mit Psychiatrieerfahrenen in der Überseestadt, kurz: Überall, wo in Bremen etwas jenseits bloßer Profiterwartung funktioniert, steht meistens der Name des Unternehmers dahinter. Vielleicht sogar immer.

So viel zu Ortsgeschichte und Lokalpolitik, in deren Niederungen er sich immer mal wieder einschaltete durch Thermofaxbotschaften, die er mit der Paraffe „Hü“ unterzeichnete: wenn ihm die Verwaltungshemmnisse für den Kita-Ausbau gegen den Strich gingen, zum Beispiel. Oder die Bekanntgabe der neuen Trägerin des Kultur- und Friedenspreises der Villa Ichon, auch so eine stadtbildprägende Immobilie am Eingang des Ostertorviertels, die er vorm Abriss bewahrt hat.

Haft wegen verbotener FDJ-Aktivität

Er war sich aber auch nicht zu schade, die Heimatzeitung darüber zu informieren, dass er und seine Frau in einer städtischen Parkanlage einen Riesenpilz entdeckt hatten, mit Foto.

Dabei hatte er als Bürgerschreck begonnen: Der Jurist – promoviert wurde er 1962 – saß 1955/56 monatelang in Untersuchungshaft, wurde als „Rädelsführer einer verfassungsfeindlichen Vereinigung“ verurteilt. Die restliche Haftstrafe wurde dann erlassen, gnadenhalber. Aber die Anwaltskarriere konnte er knicken: Deshalb wurde Hübotter schließlich Bauunternehmer und reich.

Aber auch als gestandener Kapitalist hat der Sohn eines kriegsversehrten Gartenbauarchitekten seine radikal linken Überzeugungen nie widerrufen. Aus der Partei, die immer Recht hat, ist er zwar 1991 ausgetreten. Dass Kommunismus „notwendig in Bürokratismus und Stalinismus“ abgleite, war damals sein Fazit aus vier Jahrzehnten Mitgliedschaft.

Dass er unmittelbar nach der Unabhängigkeit Lettlands viel der bedrohten historischen Substanz von Bremens Partnerstadt Riga bewahrte, wirkt vor diesem Hintergrund nicht nur wie ein tollkühnes Risiko-Investment, sondern auch wie ein Versuch der Wiedergutmachung.

Ein unerbitterlicher Pazifist

Aber Klaus Hübotter war, seinem grandseigneurhaften Habitus zum Trotz, nie ein Renegat. Und sein Pazifismus muss als unerschütterlich gelten, wenn nicht als unerbittlich: Anlässlich des Golfkrieges 2003 forderte Hübotter auf dem Bremer Marktplatz, US-Präsident George W. Bush „nach texanischem Recht“ zu verurteilen. Bis 2021 hat er noch jeden Bremer Abrüstungsappell unterzeichnet. Dass er sich nicht öffentlich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen hat, wirkt nun wie ein Vorzeichen des Todes.

Wichtig war ihm auch, daran zu erinnern, dass er mit finanzieller Unterstützung der im Westen verbotenen, aber aus Ost-Berlin üppig subventionierten „Freien Deutschen Jugend“ 1955 die Zeitschrift Studentenkurier gegründet hatte. Die wurde dann zwei Jahre später, unter neuem Namen, berühmt: konkret. Die leitenden Redakteure Klaus-Rainer Röhl und der Lyriker Peter Rühmkorf „waren lediglich bezahlte talentierte Strohmänner“, hat Hübotter mal erzählt.

Das ist nicht, was auf Wikipedia steht. Und man muss es mit Vorsicht genießen: Hübotter wäre selbst gern Dichter gewesen und hat Verse veröffentlicht, in denen sich „Stern“ darauf reimt, dass dem Ich „Goethe nicht fern“ wäre. Den Büchner-Preisträger Rühmkorf hat er wahrscheinlich beneidet. Und den schlüpfrigen Röhl, dem die Zeitschriftengründung zugeschrieben wird, aus gutem Grund verachtet.

Hübotter hielt die Rechte am Titel der „konkret“

Aber wie auch immer emotional gefärbt, Hübotters Darstellung passt zu den zeitgenössischen Berichten, sie passt dazu, wie sich Anfang der 1970er der Bruch zutrug und die Insolvenz der Zeitschrift. Und sie passt auch dazu, dass Hübotters die Rechte am Titel „konkret“ halten. „Die Bedingungen der Ausleihe an Gremliza werden vermutlich erst nach meinem Tod veröffentlicht“, hatte er 2010 angekündigt. In der Hamburger Ehrenbergstraße wird man gespannt sein auf die Testamentseröffnung.

Man hielt Hübotter für einen RAF-Sympathisanten, ja, den Liebhaber von Ulrike Meinhoff. Hinweise darauf gab es nicht. Dass die Polizei im Februar 1971 seine Wohnung stürmte, weil sie die spielenden Töchter der Hübotters für die gleichaltrigen Röhl-Schwestern hielt, ist ein Fait divers aus jener ideologisch erregten Zeit, das daran erinnert, dass der rechtsstaatliche Firnis über Polizeimaßnahmen im Zweifel damals kaum dicker war als heute, da ein Pimmel-Tweet oder ein Like reichen, um die unverletzliche Privatsphäre zu verletzen.

Den ständig nach dem Verbleib der Baader-Bande fragenden Beamten soll Ehefrau Lore Hübotter, als sie heimkam, um die Babysitterin abzulösen, jedenfalls völlig verdattert WC und Wanne gezeigt haben. Ein Terrorist fand sich dort nicht. Und auch nicht in der Wanduhr.

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