Kiew entscheidet für Istanbul-Konvention: Ein Sieg für die Ukrainerinnen

Das ukrainische Parlament hat die Istanbul-Konvention ratifiziert. Die Abgeordneten nutzten die Gunst der Stunde und signalisieren der EU Liberalität.

Eine Frau trägt eine Regenbogenmaske bei einem Protest

Demonstrantin für LGBTQ-Rechte in Kiew 2021

Elf Jahre nach der Unterzeichnung hat das Kiewer Parlament endlich die Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ratifiziert. Damit ist das kriegsgepeinigte Land weiter als beispielsweise das EU-Mitglied Bulgarien, wo noch immer um das Dokument gerungen wird. Hier – wie überhaupt in den Staaten Osteuropas – betrachten die Geg­ne­r*in­nen die Konvention als Einfallstor für den vermeintlich dekadenten „Gender-Wahnsinn“ und damit als Frontalangriff auf traditionelle Familienwerte und Rollenbilder, der die Grundfesten der Gesellschaft erschüttert.

Bekanntlich verlaufen die Frontlinien in der Ukraine derzeit an anderen Stellen. Im Krieg gegen den russischen Aggressor verlieren innere Konflikte an Bedeutung. Gerade jetzt leisten viele Frauen schier Übermenschliches, und nicht wenige Angehörige der LGBTQ-Community verteidigen ihr Land an der Front. Zudem sind die Kirchen anderweitig beschäftigt. Schließlich geht es um nichts Geringeres als eine Neudefinition des Verhältnisses zur russisch-orthodoxen Kirche, der ihre Schäfchen aktuell scharenweise davonlaufen.

Da bleibt wenig Raum, um im Verbund mit konservativen und rechtsextremen Kräften gegen sexuelle Minderheiten zu Felde zu ziehen. Zweifellos ist das Parlamentsvotum vor allem der Aussicht auf den EU-Kandidatenstatus geschuldet, über den die Mitgliedsstaaten in dieser Woche entscheiden. Das ändert jedoch nichts daran, dass diese Entscheidung von großer Bedeutung ist, denn sie erzwingt Veränderungen der Gesetzgebung und bei institutionellen Prozessen, die mehr Sicherheit und Gerechtigkeit für die Betroffenen sowie eine faire Strafverfolgung der Tä­te­r*in­nen sicherstellen.

Zudem bekommen die Behörden ein Instrument an die Hand, um mit den zahllosen Fällen sexualisierter Gewalt gegen ukrainische Frauen in den von Russland besetzten Gebieten angemessen umgehen zu können. Der feste Glaube an peremoha, den Sieg, ist es, der den Widerstandsgeist der ukrainischen Zivilgesellschaft befeuert. Einen Sieg haben die Frauen in der Ukraine schon jetzt errungen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.