„Keinen Bock, die lieben Behinderten zu spielen“

Regisseur Jürgen J. Köster über den inklusiven Film „Shampoo Shampoo“

Foto: privat

Jürgen J. Köster1955 in Bremen geboren, studierte Sozialpädagogik. 1989 gründete er die Bremer Mediengruppe Parkstraße. 2010 war er einer der Gründer der Compagnons Cooperative inklusiver Film. Seit 2017 ist er freischaffender Filmkünstler.

Interview Wilfried Hippen

taz: Herr Köster, einen Film über Shampoos zu drehen: Wie kommt man darauf?

Jürgen J. Köster: Bei den Dreharbeiten zu dem Film „The Gummiband landet auf Mallorca“ von 2003 ist eine Frau vom Bremer Kunst- und Psychiatrie-Projekt Blaumeier mit mir in einen Supermarkt gegangen und hat mir erzählt, wie gesundheitsschädlich die Shampoos sind. Sie sagte, die Billigen seien sogar noch gesünder, weil die Giftstoffe so teuer sind. Seitdem wollte ich darüber einen Film machen.

„Shampoo Shampoo“ ist ein inklusiver Film. Wie viele solcher Filme haben Sie schon gedreht?

Als es den Begriff noch gar nicht gab, habe ich zum Beispiel mit dem Blaumeier-Projekt Filme gemacht. Wenn man die dazu zählt, sind es 13. Aber zusammen mit der Compagnons Cooperative sind es jetzt drei Spielfilme und drei Dokumentationen.

Wie würden Sie die Arbeitsweise der Gruppe beschreiben?

Es gibt ein Autor*innen-Team, zu dem Menschen mit Behinderungen und psychischen Krankheiten gehören, und in dem fast alle auch Schau­spie­le­r*in­nen sind. Die entwickeln die Filmstoffe und Rollen aufgrund des Erfahrungswissens, das sie bei sehr persönlichen Gesprächen untereinander entwickelt haben.

Halten Sie sich als Regisseur und Projektleiter selbst bei den kreativen Entscheidungen zurück?

Ja, ich bin eher ein Moderator. Ein Bestandteil der inklusiven Konzeption ist eine fragende Grundhaltung. Meine Aufgabe als Diplompädagoge ist es, nicht belehrend zu sein. Stattdessen versuche ich etwa, Leute aus der Reserve zu locken, die Angst haben und schüchtern sind.

Wie hat sich die Arbeit der Compagnons Cooperative bei den nun sechs Filmen entwickelt?

Wir haben in letzter Zeit gemerkt, dass viele inklusive Projekte, ob Theater oder Film, sehr bieder daherkommen. Und da haben die Behinderten und psychisch Kranken sich gefragt, warum sie da immer so lieb und so nett sind: „Warum haben wir keinen Sex, warum saufen wir nicht, warum sind wir so super angepasst?“ Und beim Drehbuchschreiben hatten sie dann keinen Bock mehr, die lieben Behinderten zu spielen, weil das eine positive Diskriminierung ist.

Film„Shampoo Shampoo“: Di, 21. 6., 20 Uhr, Bremen, Kommunalkino City 46; auch am Sa, 25. 6., und Mo, 27. 6., 20.30 Uhr

Ihr Ziel ist Barrierefreiheit auf allen Ebenen, aber Ihr Film ist 160 Minuten lang. Bei der Premiere war das Publikum so erschöpft, dass es am Schluss kaum noch applaudieren konnte.

Ja, das ist ein Problem, das wir nicht auflösen konnten. Der Film ist eigentlich eine Miniserie, und wenn man sich die vier Teile an vier Tagen anschaut, kann man den gut aushalten. Wir versuchen, die Serie ans Fernsehen zu verkaufen, vielleicht bei Arte oder den dritten Programmen.

Aber im Kino wird „Shampoo Shampoo“ nun erst mal lang und am Stück laufen?

Ja, aber ich werde bis zum Herbst wohl noch eine kürzere Kinoversion schneiden, weil wir den Film dann auch außerhalb von Bremen zeigen wollen.