Kolonialismus-Aufarbeitung im Museum: Kaisers Münzen umtanzt

Zahlungsmittel als Symbol kolonialer Herrschaft: die multimediale Intervention „Macht. Mittel. Geld“ im Museum für Hamburgische Geschichte.

Münze: 1 Pesa der Deutsch-Ostafrikanischen Handelsgesellschaft, Vorder- und Rückseite

Zahlungsmittel der Kolonialherren: 1 Pesa aus „Deutsch-Ostafrika“ (1891) Foto: Archiv

HAMBURG taz | Wer auf der Münze abgebildet ist, der hat die Macht. Denn Geld gehört ja nicht dem Volk, es ist nur geliehen: vom Staat, von der Gesellschaft. Wenn man Glück hat, repräsentiert der eine die andere. Wenn man Pech hat, lebt man in einer Diktatur oder unter Kolonialherrschaft oder beidem zugleich – dann wird die Münze, auf der Kaiser oder König abgebildet sind, zu einer Fessel, zu einer erzwungenen Identifikation mit denen, denen man dient. Das haben schon die alten Römer gewusst: Nicht nur stellten sie überall Kaiserbüsten auf, sondern führten auch Münzen mit Regenten-Konterfei in den unterworfenen Provinzen ein.

Die Deutschen haben es ihnen nachgemacht: in der von 1885 bis 1918 bestehenden Kolonie „Deutsch-Ostafrika“ – im wesentlichen die heutigen Nationen Tansania, Burundi und Ruanda. Vorgefunden hatten sie die indische Rupie und den Pesa, eigentlich Pice, die Währung vorheriger Kolonisatoren. Die verwaltende Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft erwarb das Recht, eigene Münzen zu prägen und führte 1904 eine eigene Silberrupie ein, auf der Kaiser Wilhelm II. abgebildet war.

Kurz darauf ersetzte man die Pesa durch den deutschen Heller, teils aus Nickel, teils aus Kupfer. Und schließlich führten die Kolonialherren das europäische Dezimalsystem ein: Jetzt musste man für eine Rupie nicht mehr 64 Pesas zahlen, sondern zehn Heller.

Es klingt nach einer Aufwertung, steht aber vor allem für Übernahme und Kontrolle­ sämtlicher Finanzen durch die eigens geschaffene Deutsch-Ostafrikanische Bank mit Hauptsitz in Berlin und deren Gouverneure und Kommissare vor Ort. Selbst die Bezirkssparkasse in Daressalam für die Einheimischen kontrollierten mehrheitlich Weiße. Wobei die Einheimischen ohnehin wenig ansparen konnten. Land für die Plantagen der Kolonialherrn mussten sie entweder weit unter Wert verkaufen oder sie wurden gleich enteignet. Die Aufsicht auf den Plantagen führten Weiße, die Arbeit erledigten Einheimische, von denen immens hohe Steuern erhoben wurden.

Kaufleute profitierten

Großen Anteil daran hatten auch Hamburger Kaufleute, etwa der Kolonialbeamte Hermann von Wissmann, der mehrere Aufstände der Kolonisierten blutig niederschlagen ließ. Auch der Kaufmann und Sklavenhändler Heinrich Carl von Schimmelmann, nach dem immer noch Straßen benannt sind, wäre zu nennen. Zivilgesellschaftliche und wissenschaftliche AkteurInnen kämpfen seit Jahren um die Aufarbeitung, und wenn es um koloniales Raubgut geht, agieren die Hamburger Museen schwankend.

Was dabei bislang unberücksichtigt blieb, ist das Geld, genauer: Münzen aus der Kolonialzeit, eben jene Rupien und Heller mit Kaiser Wilhelm II. drauf. Wem soll man sie zurückgeben – wer will sie überhaupt haben, diese Erinnerungen an Ausbeutung, brutales Niederschlagen von Aufständen, die Ermordung Kolonisierter?

Das Museum für Hamburgische Geschichte hat jetzt einen ähnlichen Weg gewählt, wie 2017 das Altonaer Museum: Hatte man in Altona den ghanaischen Künstler Joe Sam-Essandoh zwischen Modellen einstiger Kaufmannsschiffe eine Masken-Intervention inszenieren lassen, wird nun auch in der Hamburger Innenstadt künstlerisch interveniert, und zwar durch die mexikanisch-deutsche Choreografin Yolanda Gutiérrez, die sich schon lange mit dem Kolonialis­mus beschäftigt. Die hatte schon 2021 die Performance „Decolonycities Kigali – Hamburg“ für das Markk entworfen, Hamburgs vormaliges Museum für Völkerkunde, ein denkbar kolonial belasteter Ort also.

Jetzt hat sie gemeinsam mit der französischen Tänzerin Eva Lomby und dem ruandischen Fotografen Chris Schwagga eine Installation geschaffen: Tanz, Fotos und Museumsobjekte treten dabei in Dialog, spiegeln einander, verfremden, verbinden und trennen sich. Da schreitet Eva Lomby Boro würdevoll die Treppe zum Foyer herab, behängt mit einem breiten, schweren Kragen aus Münzen. Stolz und würdig trägt sie ihn, wie ein altägyptischer Pharao. Sie beugt und biegt sich zwischen den zum Karree auf hohen Ständen platzierten Fotos, auf denen auch sie selbst abgebildet ist. Schaut hin und wieder weg. Tanzt, posiert, umgarnt, wehrt ab.

Verzierter „Besitz“ Mensch

In der nächsten Sequenz steckt ihr Kopf unter einem schwarzen Gazeschleier mit – Münzen. Kostbar sieht das aus, wie die Morgengabe einer Prinzessin im Märchen vielleicht. Man assoziiert: ein Mensch, verziert mit Preziosen, die den Reichtum seines „Besitzers“ zeigen. Außerdem vernebeln Gaze und Münzen den Blick, als hätte sie einen Sack über dem Kopf. Aber sie zerrt hier, zupft dort, und er ist weg.

Schwaggas Fotos reproduzieren nicht nur Gesicht und Gesten der Tänzerin. Da findet sich auch ein Paar schwarzer, von Feldarbeit erdbedeckter Hände mit Münzen drin – eine Anspielung an mit Reis gefüllte Hände auf Plakaten von „Brot für die Welt“. Wie viel Reis konnten sich die Kolonisierten wohl für die Viertel- und Achtel-Heller kaufen, wenn sie denn welche besaßen?

Reflektiert, ambivalent und ohne Bitterkeit kommen diese Fotos daher, etwa dasjenige einer bewusst klischeehaft hindrapierten „schwarzen Schönheit“ mit Münzen-Turban und -kette. Mit geschlossenen Augen scheint sie zu genießen – oder ist da auch Trauer im Spiel, über den Identitätsverlust, den die Kolonialisierung bedeutet?

Macht. Mittel. Geld.: bis 15. 8., Museum für Hamburgische Geschichte

Tanzperformance von Eva Lomby: Do + Fr, 2.+ 3. 6., 14 Uhr

Es ist eine vielschichtige multimediale Installation, die Performance kann man zu bestimmten Terminen live, ansonsten per Video miterleben. In der Museumsvitrine gleich daneben liegen die kleinen Gewichte und Waagen hanseatischer Kaufleute; der Saal zur Hansezeit folgt nebenan. Eine dezente Aufforderung, die Wurzeln des hanseatischen Kaufmannsstolzes und Reichtums zu überdenken.

Denn der Kolonialismus ist ja nicht vorbei. Auch in manchen Köpfen nicht: Wer auf einschlägigen Internetseiten nach Münzen aus den einstigen „Deutschen Schutzgebieten“ schaut, wird sich wundern über so viel Begeisterung über dem „Gold-Elefanten aus Deutsch-Ostafrika“, der mit erhobenem Rüssel vor dem Kilimandscharo steht; angepriesen als exquisites „Liebhaberstück“.

„Der Kilimandscharo galt im Kaiserreich als,höchster Berg Deutschlands'“, schreibt dazu das Deutsche Historische Museum. „Der mit 5.895 Metern höchste Berg Afrikas – auch als,Kaiser-Wilhelm-Spitz' bezeichnet – war für das Deutsche Reich geradezu das Wahrzeichen seiner Kolonialpolitik.“

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