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: Erstklassig im sozialen Engagement

Fussball Zum 100-jährigen Bestehen hat Tennis Borussia Berlin den Abstieg aus der sechsten Liga vermieden

Die TeBe-Initiative „Fußballfans gegen Homophobie“ wurde mit einem Preis ausgezeichnet

Nach dem 5:1-Heimsieg gegen Stern 1900 aus Steglitz im Saisonfinale der Berliner Fußball-Liga verfielen die Fans von Tennis Borussia Berlin (TeBe) in den Chillout-Modus. Sanfte Reggae-Klänge wehten über die Stehränge im Mommsenstadion, wo jüngere Supporter des so brutal in die 6. Liga abgestürzten früheren Bundesligisten die Korken knallen ließen. Die älteren „Veilchen“, wie man den TeBe-Anhang wegen der lila-weißen Vereinsfarben nennt, gönnten sich eine Molle im Stadioncasino. Einen weiteren Abstieg konnte der Traditionsclub aus Charlottenburg im 100. Jahr seines Bestehens gerade noch abwenden. Selbst beim Happy End am vergangenen Sonnabend gruselte es altgedienten Borussen noch. „Das war das schlimmste Jahr, seit ich bei TeBe bin. Aber es hätte noch schlimmer kommen können“, klagte ein Mann mit jahrzehntelanger Veilchen-Tradition.

Vorturnen der Namenlosen

Noch schlimmer? Weil der Verein pleite war und 2010 einen Insolvenzantrag stellen musste, veranstaltete Trainer Markus Schatte vor einem Jahr notgedrungen ein Spieler-Casting, wie das Vorturnen namenloser Amateure im Mommsenstadion genannt wurde. Mit sechs Aktiven begann Schatte – zu wenig für das angeforderte offizielle Mannschaftsfoto. Schatte warb preisgünstige Spieler an und beförderte Talente aus dem eigenen Nachwuchs in die erste Mannschaft. Alles andere hätte der Insolvenzverwalter mit Blick auf die TeBe-Gläubiger wohl auch nicht genehmigt.

Trotz des überstandenen Insolvenzverfahrens und des Klassenerhalts lässt sich der Coach nicht zu Versprechungen für die kommende Spielzeit hinreißen. „Eine deutliche Qualitätssteigerung wird sehr schwierig werden“, prophezeit Schatte. Roland Weißbarth, im Vereinsvorstand für Marketing und Sponsoren zuständig, bezifferte den Euro-Etat für 2012/2013 auf „knapp sechsstellig“. Zu wenig, um sich dem erlauchten Kreis der Aufstiegsanwärter anzuschließen. TeBe hat sich mit der Berlin-Liga abgefunden. Es soll kein Geld ausgegeben werden, das nicht vorhanden ist. „Die Zeit der Fantastereien ist vorbei“, beteuert Weißbarth, der den Beginn des TeBe-Niedergangs vor einem Jahrzehnt miterlebte, als der Absturz aus der zweiten Liga seinen Lauf nahm.

Heute erntet vor allem die Basis Lorbeeren. Im Mai verlieh die Arbeitsgemeinschaft der Lesben und Schwulen in der SPD der TeBe-Initiative „Fußballfans gegen Homophobie“ den Magnus-Hirschfeld-Preis. Mit diesem Projekt machte die Borussia bundesweit und im deutschsprachigen Ausland auf sich aufmerksam. Am 20. Juli soll ein Amateurteam aus Nottingham im Mommsenstadion antreten, um die Fan-Initiative auch im Mutterland des Fußballs bekannt zu machen.

„Die Fans wollen das Gesellschaftsbewusstsein erhöhen. Das wird bei uns auch gelebt“, erzählt Weißbarth. Wie als Beweis dafür hing gegen Stern 1900 am Zaun des Mommsenstadions ein Transparent mit der Aufschrift „Queerussia“, gehalten in knallbunten Regenbogenfarben.

Fast 1.000 Mitglieder zählt TeBe heute. In der Krise hat sich ihre Zahl sogar leicht erhöht. „Wir haben die Jungen, meist um die 20 Jahre, sowie die Alten, die noch die Spiele gegen Hertha in der früheren Berliner Oberliga erlebt haben“, erzählt Fan und Vereinssprecher Felix Krüger. Die rund 100 Köpfe starke TeBe-Abteilung „Aktive Fans“ hat durch ihr soziales Engagement Zulauf bekommen. So etwa durch die Unterstützung des Kulturprojekts Schokoladen in Mitte, das von der Räumung bedroht war. Die lila-weißen TeBe-Trikots waren zeitweise mit den Schokoladen-Kuhlogos und dem Slogan „Schokoladen bleibt – Alternative Kultur in Berlin erhalten!“ beflockt. „Diese Aktion“, berichtet Krüger, „hat uns auch in dem nicht fußballaffinen Bereich bekannt gemacht.“ Ein willkommener Effekt, denn: „Mit sportlichen Erfolgen können wir ja nicht aufwarten.“ Jürgen Schulz