Landratswahlen in Sachsen: Stimmen gegen die AfD

Der „Alle-gegen-die-AfD-Effekt“ hilft der CDU. Im Osten des Landes klauen sich rechte Parteien die Stimmen. Die Wahlbeteiligung ist niedrig.

Feedback zu den Wahlplakaten der AfD gab es in Sachsen auch Foto: André März/imago

LEIPZIG taz | So hatte die AfD sich das nicht vorgestellt. Bei den Landratswahlen in ihrem Lieblingsbundesland Sachsen wollte sie Landratsposten und damit erstmals Regierungsämter erringen – und so der Welt zeigen, dass sie zumindest noch in Ostdeutschland Erfolg haben kann. Doch die extrem rechte Partei hat ihr Ziel verfehlt. In keinem der acht Landkreise, in denen sie Kandidaten aufgestellt hatte, erhielt sie die meisten Stimmen. In drei Landkreisen landete sie sogar auf Platz drei – unter anderem in Mittelsachsen, wo sich die AfD besonders gute Chancen ausgerechnet hatte.

Damit ist es sehr unwahrscheinlich, dass die AfD im zweiten Wahlgang am 3. Juli in irgendeinem Landkreis gewinnen wird. Selbst in den erzkonservativen Landkreisen Bautzen und Görlitz in Ostsachsen stehen ihre Chancen schlecht. Hier erhielten die AfD-Kandidaten zwar 28 und 35 Prozent der Stimmen und landeten damit hinter der CDU auf dem zweiten Platz. Doch die dortigen CDU-Kandidaten haben einen Vorsprung von je zehn Prozentpunkten. Hinzu kommt der „Alle-gegen-die-AfD-Effekt“, der in Sachsen bislang immer verhindern konnte, dass die AfD einen Regierungsposten erringt: Ein Großteil der Wäh­le­r:in­nen gibt demjenigen Kandidaten seine Stimme, der die besten Chancen gegen die AfD hat – also der CDU.

CDU gewinnt in acht von neun Landkreisen

Diese CDU, die mit nur einer einzigen Ausnahme seit mehr als dreißig Jahren alle Landräte in Sachsen stellt und in den vergangenen Wochen ordentlich gezittert hat, ist angesichts der Ergebnisse der Landratswahlen erleichtert: „Die CDU hat die Kommunalwahl klar gewonnen“, sagte der Generalsekretär der sächsischen CDU, Alexander Dierks, der taz.

In acht von neun Landkreisen bekam die CDU die meisten Stimmen. Doch nur in den Landkreisen Leipzig, Nordsachsen und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge gewann sie die absolute Mehrheit – ein deutliches Zeichen, dass sich die Alleinherrschaft der CDU in Sachsen dem Ende zuneigt.

In allen drei Kreisen, in denen die CDU mehr als 50 Prozent holte, traten Amtsinhaber an. Das beste Ergebnis erzielte der Christdemokrat Henry Graichen im Landkreis Leipzig. Er bekam knapp 70 Prozent der Stimmen und damit mehr als dreimal so viele wie der AfD-Kandidat Jörg Dornau (19 Prozent). Der nordsächsische Landrat Kai Emanuel (parteilos), der für die CDU antrat, verteidigte sein Amt mit rund 63 Prozent der Stimmen, im Kreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge kam Landrat Michael Geisler auf 54 Prozent, der AfD-Politiker Ivo Teichmann auf 24 Prozent.

Der einzige Landkreis, in dem die CDU nicht auf Platz eins landete, ist Mittelsachsen. Hier liegt der parteilose Kandidat Dirk Neubauer mit 41 Prozent der Stimmen klar vor dem CDU-Politiker Sven Liebhäuser (30 Prozent) und Rolf Weigand von der AfD (28 Prozent). Neubauer wird von SPD, Grünen und Linken unterstützt. Er ist seit acht Jahren Bürgermeister von Augustusburg und hat es mit seiner bürgernahen Politik geschafft, die Kleinstadt bei Chemnitz komplett AfD-frei zu halten – hier gibt es die AfD im Stadtrat nicht. Neubauers Erfolgsrezept: Bürgerbeteiligung.

Erschreckend viele Stimmen für die „Freien Sachsen“

„Ich bin unglaublich dankbar für diesen ersten Teilerfolg“, sagt Neubauer in einem Video auf Facebook, das ihn am Sonntagabend auf dem Marktplatz in Augustusburg zeigt. Er werde sich nun mit seinem Team zusammensetzen und überlegen, was in den nächsten drei Wochen bis zum zweiten Wahlgang zu tun sei. „Ich freue mich total darauf, das wird eine großartige Sache“, sagt der 51-Jährige in dem Video. „Heute sage ich einfach nur danke, danke, danke, danke an alle, die mitgemacht und geholfen haben.“ Ob nur Sven Liebhäuser (CDU) gegen Neubauer antreten wird oder auch der AfD-Politiker Rolf Weigand, ist noch nicht bekannt.

Erschreckend ist das Abschneiden der rechtsextremen Kleinpartei „Freie Sachsen“, die maßgeblich die Corona-Proteste in Sachsen anheizte – und weiterhin anheizt. Sie wird bundesweit vom Verfassungsschutz beobachtet. In Nordsachsen erhielten die Rechtsextremen 20 Prozent, im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge 10,5 Prozent, im Erzgebirgskreis 10 Prozent. Im Erzgebirgskreis kommen AfD und Freie Sachsen zusammen auf knapp 28 Prozent – der CDU-Kandidat Rico Anton erhielt 26 Prozent. Wären die Freien Sachsen hier nicht angetreten, hätte die AfD mehr Stimmen bekommen und möglicherweise vor der CDU gelegen. Ob AfD und Freie Sachsen auch im zweiten Wahlgang jeweils eigene Kandidaten aufstellen, steht noch nicht fest. Sollten sie sich zusammentun, könnte es knapp werden für die CDU.

Ebenfalls erschreckend ist die niedrige Wahlbeteiligung bei den Landratswahlen. In jedem der neun Landkreise gingen weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten wählen. Am niedrigsten war die Wahlbeteiligung in den Landkreisen Nordsachsen (37,5 Prozent) und Zwickau (39 Prozent), am höchsten im Erzgebirgskreis und im Landkreis Görlitz (je 49,4 Prozent).

Weil in sechs der neun Landkreise kei­n:e Kan­di­da­t:in die absolute Mehrheit gewann, findet am 3. Juli ein zweiter Wahlgang statt. Dies ist keine Stichwahl, das heißt, dass theoretisch noch einmal alle Kan­di­da­t:in­nen antreten können. Im zweiten Wahlgang reicht dann allerdings die einfache Mehrheit.

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