Präsidentschaftswahlen in Kolumbien: Die Nichtwähler entscheiden

Der linke Kandidat Gustavo Petro hat die erste Runde der Präsidentschaftswahlen in Kolumbien gewonnen. Nun muss er die Nichtwähler überzeugen.

Gustavo Petro zusammen Francia Marquez.

Gustavo Petro und Francia Marquez in Bogota Foto: Santiago Arcos/reuters

Präsident Iván Duque hatte sich am Sonntag einen roten Teppich ausrollen lassen – von der Tür des Präsidentenpalasts bis zum Wahlposten. Über diesen schritt er mit seiner Frau, vorbei an der Spalier stehenden Garde. Währenddessen kämpften sich im Dorf Calzón Blanco an der Karibikküste die Menschen durch knietiefes Wasser und selbstgebaute Holzkonstruktionen und teils ohne Licht zu den Urnen. Gegen die Überschwemmungen hatte Duque vor Monaten schon bei einem Besuch Abhilfe versprochen.

Die Szene am Tag der Präsidentschaftswahl zeigt, warum viele Menschen in Kolumbien nicht nur den unbeliebten Präsidenten endlich loswerden wollen, sondern die komplette politische Elite um Ex-Präsident Alvaro Uribe, die das Land seit Jahrzehnten beherrscht. Das Wahlergebnis ist eine verdiente Ohrfeige für sie.

Doch es ist alles andere als die im Ausland beschworene „Zeitenwende“. Der Baulöwe und TikTok-Opa Rudolfo Hernández wettert wild gegen das komplette politische Establishment. Politikurgestein Petro will die Abkehr von der alten Elite, die Wirtschaft umkrempeln und Umverteilung – und zwar auf demokratischem Wege.

45 Prozent Nichtwählerïnnen

Doch Hernández ist nicht der Neuanfang, den sich seine Wählerïnnen erhoffen, sondern die alte Elite in Social-Media-tauglichem Schafpelz. Der Mann ist ebenfalls sexistisch, rassistisch, umweltfeindlich und wegen Korruption angeklagt (Gerichtstermin ist einen Monat nach der Stichwahl). Der letzte Beweis für die Wiedergeburt des Uribismus ist, dass der Rechte Fico Gutiérrez sofort nach der Niederlage ankündigte, Hernández zu unterstützen. Es droht jetzt eine kolumbianische Kreuzung aus Jair Bolsonaro und Donald Trump.

Denn nimmt man die Wählerschaft des Rechtspopulisten Hernández und des Rechtskonservativen Gutiérrez zusammen, müsste Petro in der Stichwahl noch einmal rund zehn Prozent mehr Stimmen holen. Analystïnnen gehen jedoch davon aus, dass er mit den 8,5 Millionen bereits sein Maximum erreicht hat – genauso viel hatte er schon vor vier Jahren. Gutiérrez’ Wählerschaft wählt ihn niemals. Auch beim viertplatzierten Sergio Fajardo ist nichts mehr zu holen – Petro und er haben sich erbittert bekämpft. Bleiben die Nichtwählerïnnen.

Die sind neben der Personalie Hernández die zweite große Enttäuschung der Wahl: Obwohl 2021 vor allem Junge in Massen monatelang auf die Straßen gingen, liegt der Anteil der Nichtwählerïnnen bei 45 Prozent – gerade mal ein Prozent weniger als vor vier Jahren. Gustavo Petro muss sein Narrativ ändern und alles tun, um sie für sich zu begeistern.

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stammt aus dem Bayerischen Wald und berichtet seit 2017 überwiegend aus Kolumbien. Sie ist Mitglied des Reporterinnen-Teams von #tazFolgtDemWasser und Mitgründerin des Magazins „Südamerika+Reporterinnen“ auf der genossenschaftlichen Journalismus-Plattform-„RiffReporter“.

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