Ägyptologische Ausstellung in Hannover: Ein Dämon für alle Fälle

Bes war in Ägypten einst zuständig für Sex und Bier und Tanzmusik: Ein Leben ohne den Zusatzgott war fast unvorstellbar. Und auch nicht wünschenswert.

Blick in die Ausstellung: Der knubbelige Gott Bes in Stein gehauen thront auf einem grünen Sockel

Blick in die Ausstellung. Bes macht bei jedem Spaß mit: Einen besseren Gott kann es nicht geben Foto: Foto: Bes

Osiris, Isis, Ra, das sind die Big Names des altägyptischen Pantheons. Heute weniger bekannt, aber viel nahbarer und unendlich vielseitig einsetzbar, ist der kleine Bes: dick, stummelbeinig und struwwelbärtig. Ein niedliches Kerlchen!

Das Museum August Kestner in Hannover jedenfalls hat dieser Gottheit zum Knuddeln eine überwältigend reichhaltige und außerordentlich familienfreundliche Ausstellung gewidmet: Wer Kinder hat und da mit ihnen zusammen reinstolpert, läuft Gefahr, künftig begeisterte Jung-Altägyptolog*innen aufziehen zu müssen.

Das liegt auch daran, dass das ­Ku­ra­to­r*in­nen­team die Schaukästen so arrangiert hat, dass auch Menschen von weniger als 1,20 Meter Länge sie ­selbstständig erkunden können. Vor allem aber empfängt die Ausstellung ihre Be­su­che­r*in­nen mit einer gut erzählten kurzen Zeichentrick-­Animation.

Die erklärt religionspsychologisch, warum es im Mittleren Reich zur Einführung eines kleinen Zusatzgottes gekommen sein dürfte. Anschaulich macht der kurze Film, welche Funktionen der wohl aus Nubien importierte Dämon im Alltag übernimmt – und diese begegnen einem dann als Ausstellungskapitel wieder.

Ein Gott, der keinen Kult braucht

Als Amulett taucht dieser Bes dabei oft auf, denn er ist ein (zudem unbesiegbarer) Beschützer vor wilden Tieren, ein Heiler – und eine Hebamme. Gezeigt wird die Rekonstruktion eines Geburtsbettes, das auf vier Beinen in Bes-­Gestalt ruht, daneben präsentiert man zwei originale Geburtsbettbeine aus der Sammlung des Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-­Museums. Dort gibt es eine kleine flankierende Ausstellung zu sehen: „noch nie vorher ausgestellte Bes-Preziosen aus deutschen Privatsammlungen“.

An anderer Stelle ist in Hannover zu erfahren, dass der kleine Gott für Zwischendurch nicht nur bis weit in die Römerzeit hinein verehrt wurde, sondern sein Einfluss bis an die westlichen Ränder des Mittelmeers spürbar war – so sehr, dass man eine der Balearen-­Inseln nach ihm benannt haben dürfte: Ibiza.

Das führt zu den eigentlichen Tugenden des Bes zurück. Denn der ist zuständig gewesen für Tanz, Musik, Feste, alkoholische Getränke sowie Sex, und, oh mein Gott!, gerade in letzterer Funktion trägt seine geschnitzte Darstellung einen Penis von so grotesker Länge – in etwa das doppelte seines übrigen Körpers –, dass das Ding eine eigene Halterung benötigt. Darüber sollten selbst prüde Eltern schmunzeln können, wenn auch sicher angemessen verschämt.

Vielfältig sind die Darstellungen und variantenreich – der Dämon für alle Fälle tritt mal, in der Spätphase, in römischer Kriegerrüstung in Erscheinung, mal mit Schmusepanther, mal als Tamburinschläger; mal wird er innig verschmolzen mit seiner Frau und vielleicht auch Mutter Bessa gezeigt, mal als kleine Statuette, mal als ­Medaillenprägung und mal als Öllämpchenverschluss: Ein Leben ohne Bes scheint im Alten Ägypten kaum möglich gewesen zu sein.

Guter Dämon Bes. Schutzgott der Ägypter: Hannover, Museum August Kestner. Bis 25. 9.

Bes in Hildesheim: Roemer- und Pelizaeus Museum, Hildesheim. Bis 2. 10.

Aber warum hätte man es auch führen wollen? Liebevoll aufgebaut, um 3-D-Simulationen ergänzt, mit einfach lesbaren, aber nie banalen Erläuterungen garniert, ist dem Kestner-Museum hier eine ungemein bereichernde Ausstellung gelungen. Über einen Gott, der Spaß am Leben hat und keinen Kult verlangt.

Bes: Ein guter Gott. Vielleicht, wahrscheinlich, nein: sicherlich der beste.

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