Bericht der Europäischen Union: Verschwundene Pressefreiheit

Die EU veröffentlicht einen Report zur Pressefreiheit, in dem einige Mitglieder schlecht wegkommen. Doch der verschwindet plötzlich von der Homepage.

Portait

Kennt sich mit Pressefreiheit aus: Roberta Metsola, Präsidentin des Europäischen Parlaments Foto: Michele Tantussi/dpa

Was passiert eigentlich, wenn die EU im Internet über die Lage der Presse- und Meinungsfreiheit in Europa informiert und dabei einige ihre Mitgliedstaaten eher mal schlecht wegkommen? Erraten! Das Ganze verschwindet heimlich still und leise wieder aus dem World Wide Web. „Wer sind denn da die Gegenspieler der Pressefreiheit im EU-Parlament?“, fragt die Mitbewohnerin. „Vielleicht sind sie für den Fehlerteufel verantwortlich und haben die Landingpage verschoben. Das WWW vergisst doch nie?“

Doch dieses Jahr ist es einem Bericht des EU-Parlaments so ergangen – bei der „Situation of press freedom in the Member States“, die auf den Rankings und Analysen von Reporter ohne Grenzen (RSF) basierte. (Disclaimer: Ich habe an der diesjährigen „Nahaufnahme Deutschland“ von Reporter ohne Grenzen über die Situation hierzulande redak­tionell mitgearbeitet.)

„Die Pressefreiheit steht in der EU und weltweit unter Druck“, heißt es immerhin noch auf der Homepage des EU-Parlaments, das sich dort ausgiebig für seine Initiativen zur Unterstützung von unabhängigem Journalismus lobt.

Doch der Bericht zur Situation in den Mitgliedstaaten „wurde plötzlich und ungerechtfertigt auf der offiziellen Parlaments-Website und aus dem Twitter-Account gelöscht. Ich bedaure diese inakzeptable und noch nie dagewesene Selbstzensur des Parlaments“, schreibt der griechische EU-Abgeordnete Dimitrios Papadimoulis an EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola.

Metsola kommt aus Malta (RSF-Listenplatz 78) und kennt sich daher in Sachen Pressefreiheit aus. 2017 wurde auf der Mittelmeerinsel die Investigativ-Journalistin Daphne Caruana Galizia ermordet, weil sie mit ihren Recherchen korrupten Regierungskreisen zu nahe gekommen war. Die verschleppten auch die Ermittlungen, was 2019 Labour-Premierminister Joseph Muscat das Amt kostete. Metsola hatte sich vehement für die konsequente Aufklärung des Mordes eingesetzt.

Papadimoulis, Vertreter der radikalen Linken Griechenlands (RSF-Listenplatz 108) ist übrigens nicht irgendwer, sondern einer der Vizepräsidenten des Europaparlaments.

An die Adresse seiner Chefin schreibt er nun: „Ich bin sicher, dass alle nötigen Maßnahmen getroffen werden, den Bericht wieder hochzuladen. Genauso wichtig ist es, die Verantwortlichen für diesen nicht hinnehmbaren Vorgang ausfindig zu machen. Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit sind fundamentale Prinzipien und europäische Werte, die das Parlament absichern muss.“ Der Brief ging auch an alle FraktionsvorsitzendeN im Europäischen Parlament.

Vom verschwundenen Bericht ist beim Schreiben dieser Zeilen allerdings noch nichts zu sehen. Aber immerhin gibt es einen Link auf die RSF-Rangliste der Pressefreiheit.

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2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"

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