Infos an Medien weitergegeben: 24 Arten, nichts zu sagen

Ein Gutachten des Datenschutzbeauftragten belastet Südwest-Innenminister Strobl. Ministerpräsident Kretschmann will sich dazu nicht äußern.

Kretschmann Strobl

Strobl und Kretschmann können gut miteinander – doch bei den Grünen gärt es Foto: Bernd Weißbrod/dpa

STUTTGART taz | Am Dienstag konnte man Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) dabei zuschauen, wie er auf 24 Arten erklärte, von nichts zu wissen. Dabei sagte er auf die bohrenden Fragen der Journalisten eine halbe Stunde lang das immer Gleiche: „Mir liegt der Brief nicht vor.“

Der Brief, zu dem die Journalisten der Landespressekonferenz gern Kretschmanns Meinung gehört hätten, stammt vom Datenschutzbeauftragten des Landes, Stefan Brink. Der stellt dem durch seine „Brief-Affäre“ angeschlagenen Innenminister Thomas Strobl (CDU) ein denkbar schlechtes Zeugnis aus: Dass Strobl einen Anwaltsbrief aus einem Disziplinarverfahren an einen Journalisten weitergegeben hat, verletze das einschlägige Datenschutzrecht und „ist deshalb als rechtswidrig zu bewerten“.

Hintergrund von Strobls Durchstecherei sind die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen den inzwischen suspendierten Polizeiinspekteur des Landes. Diesem wird vorgeworfen, eine Polizeibeamtin zum Sex aufgefordert zu haben, wenn er ihre Karriere fördern solle. Das Innenministerium hatte den Vorfall, nachdem die Beamtin ihn gemeldet hatte, im vergangenen Jahr selbst öffentlich gemacht.

Im Dezember vergangenen Jahres, das hat Strobl inzwischen zugegeben, hat der Minister einem Journalisten der Stuttgarter Nachrichten einen Brief des Anwalts des beschuldigten Polizeibeamten gesteckt. Darin bietet der Anwalt dem Innenministerium Gespräche über die Angelegenheit an.

Verfahren gegen Innenminister

Nach Ansicht des Innenministers ein „vergiftetes Angebot“ des Anwalts, die Sache auf dem kleinen Dienstweg zu regeln. Für den Datenschutzbeauftragten Brink eher ein Routineschreiben, das es auf alle Fälle nicht rechtfertige, Dokumente aus einer Personalakte an die Presse zu geben. Das wäre nur denkbar, heißt es im Gesetz, wenn damit die „Abwehr einer erheblichen Beeinträchtigung des Gemeinwohls“ erforderlich ist.

Brink kündigte gar an, neben den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, die gegen Strobl und den Journalisten laufen, ein aufsichtsbehördliches Verfahren gegen das Innenministerium zu eröffnen. Damit könnte Strobl wohl der erste Innenminister Deutschlands sein, der in einem Datenschutzbericht auftaucht, wie der Landeschef der Polizeigewerkschaft, Ralf Kusterer, süffisant kommentierte.

Mit Brinks Brief, den er auf Anfrage der SPD-Fraktion aufsetzte, liegt nun erstmals eine kompetente juristische Einschätzung zum Verhalten des baden-württembergischen Innenministers bei einem ebenso verwickelten wie auch peinlichen Vorfall vor – und es könnte dann doch der Anfang vom Ende des Ministers sein.

Strobl hatte sich immer mit Transparenz gerechtfertigt. Er habe auch nur den kleinsten Eindruck vermeiden wollen, dass sein Ministerium die Sache nicht restlos aufklären wolle. Eine Argumentationslinie, die beim Datenschutzbeauftragten schon mal nicht hält.

Seltene Einigkeit

So verworren der Fall ist, bei dem bis heute rätselhaft bleibt, was Strobl mit seinem riskanten Vorgehen eigentlich erreichen wollte, so klar war bisher aber auch, dass ihn sowohl seine Partei als auch der grüne Ministerpräsident bei der Stange hält. Und so kam es am Dienstag zu Kretschmanns 24 „Liegt mir nicht vor“-Variationen. Und das, obwohl der SPD-Fraktionschef Andreas Stoch zuvor bekannt gegeben hatte, dass er Brinks Einschätzung noch am Vorabend per Mail ins Staatsministerium geschickt hatte.

Wenn sich Kretschmann mit dem trägen Aktenfluss seines Hauses rausredet, findet Oppositionschef Stoch, der Ministerpräsident wirke dabei wie ein Kind, „das sich die Augen zuhält und meint, nun werde es unsichtbar“. Dass ein derart wichtiges Schreiben einfach im Posteingang liegen bleibe, „kann niemand glauben“, findet Stoch. SPD, FDP und AfD fordern in seltener Einigkeit Strobls Rücktritt und drohen mit einem Untersuchungsausschuss. Doch in Kretschmanns grün-schwarzer Regierung scheint man zu hoffen, dass die Staatsanwaltschaft keine Anklage gegen den Innenminister erheben wird.

Kretschmann, der mit Strobl gut kann, aber auch dessen eigene Partei, die mit ihm nicht immer so gut konnte, brauchen den Innenminister als Garant für eine stabile Regierung. Für den Fraktionschef Manuel Hagel, der für 2026 als CDU-Spitzenkandidat gehandelt wird, ist es zu früh, um an Strobls Stelle zu treten. Bei den Grünen dagegen gärt es. Es ist von Arroganz der Macht im Kabinett Kretschmann III die Rede. Es sei an der Zeit, das Problem Strobl als das zu behandeln, was es ist: ein Problem des Koalitionspartners CDU.

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