die kinderfrage
: Warum gibt es nur arme Männer?

Wir wollen von Kindern wissen, welche Fragen sie beschäftigen. Jede Woche beantworten wir eine. Diese Frage kommt von Inti, 7 Jahre

Lieber Inti,

mit Deiner Frage meinst Du sicher, warum es sich bei den meisten Obdachlosen, die man in der Stadt sieht, um Männer handelt. Diese Männer sind arm, weil sie ihre Wohnung verloren und daher auch keine Dusche und keinen Kleiderschrank und keinen Kühlschrank haben – und das kann man manchmal sehen, weil ein solches Leben schwer und ungesund ist. Viele der Männer versuchen, sich in ihrem Unglück mit Alkohol zu behelfen, es fällt ihnen dann noch schwerer, auf sich achtzugeben. Obdachlos, das bedeutet, kein Dach über dem Kopf zu haben: Es fängt oft damit an, dass Menschen ihre Miete nicht zahlen können, weil sie zu viel auf dem Herzen haben oder zu wenig Geld. Oder eben beides.

Deine Beobachtung ist nicht ganz falsch: Es sind tatsächlich insgesamt mehr Männer, nach letzten Schätzungen sind es rund zwei Drittel der Betroffenen. Was aber eben auch bedeutet, dass ein Drittel der Betroffenen Frauen sind: In Deutschland sind es etwa 60.000, das entspricht der Einwohnerschaft einer nicht ganz kleinen Kleinstadt. Richtig zählen kann man sie nicht, sie haben ja keine Adresse und oft auch kein Telefon.

Die meisten Obdachlosen siehst Du überhaupt nicht, weil sie sich nicht in der Innenstadt oder am Bahnhof aufhalten, sondern im Verborgenen. Und das gilt besonders für die obdachlosen Frauen. Wenn Frauen ihre Wohnung verlieren, oft geschieht das nach einer Trennung oder weil die Rente nach dem Tod ihres Mannes nicht reicht, versuchen sie meist so lange wie möglich bei Freundinnen und Freunden zu übernachten. Und obwohl es weniger Schlafplätze und Wohnheime für sie gibt als für die in Not geratenen Männer, gelingt es den Frauen oft besser, sich erst einmal selbst zu helfen. Sie trinken nicht so viel Alkohol, versuchen sich regelmäßig zu waschen und ordentlich auszusehen. Zumindest können sie häufig besser verbergen, wie schlecht es ihnen geht. Es ist nämlich auch besser für sie, unsichtbar zu sein, damit sie nicht angegriffen oder ausgenutzt werden. Viele der Frauen sind aus ihrem vorherigen Leben weggelaufen, weil sie geschlagen wurden. Das möchten sie nicht schon wieder erleben.

Die meisten Obdachlosen, Männer und Frauen, haben traurige Dinge erlebt. Und manche sind so krank, dass sie es nicht mehr schaffen, sich helfen zu lassen. Aber Du kannst ihnen immer ein Lächeln schenken.

Martin Reichert

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