Ein wütender Springbock
: Design verpflichtet

Alles in allem eine schöne Angelegenheit

Es klang verheißungsvoll: Das Taste-Festival versprach eine Kombination von Food und Design und am Spreeufer hinter dem Direktorenhaus sollte es sogar einen „Secret Garden“ geben. Selbst gemalte Schilder mit pinker und grüner Schrift kündigten den Weg zum geheimen Rosenbeet an, das Inés Lauder mithilfe von Lampions und pastellfarbenen Schleifen in einen „Cocktail Club“ verwandelt hatte. Außerdem gestalteten palmenhafte Bambusgebilde von Conbam den Raum. Alles in allem eine schöne Angelegenheit, und ich gewöhnte mich an den Gedanken, dass dieser Tag poetisch werden könnte.

Zunächst störten nicht einmal die Touristen auf den Spreebooten die taubengurrende Geräuschkulisse, denn dank der Schleuse waren sie auf Fußhöhe der Besucher abgesenkt. Ich beobachtete die körperlosen Köpfe, die über dem Horizont der Uferpromenade vorbeischwebten, und begann gerade, die Platon’sche Höhlentheorie zu rekonstruieren, da entdeckte ich die haarsträubende Handtasche einer Frau mit Margot-Käßmann-Schal, die ebenfalls die Gärten besuchte. Haarsträubend im wahrsten Sinne des Wortes, die Tasche war nämlich mal das Nackenfell eines südafrikanischen Springbocks gewesen, und der stellt immer dann sein Nackenhaar auf, wenn er wütend wird. Oder wenn man die Handtasche zuklappt.

Designtechnisch funktionierte das wunderbar, aber wie fühlt es sich wohl an, posthum zu ewiger Wut verpflichtet zu werden? Das südafrikanische Nutztier schien mir in seiner Taschenexistenz eine schwerwiegende Aufgabe übernommen zu haben. Just in diesem Moment forderte der Touristenführer des vorbeifahrenden Spreeboots seine Passagiere aus dem Off zu „einer Runde Mitleid“ auf und übertönte das sanfte Klirren der Eiswürfel im Cocktailglas. Hätte man sie doch noch tiefer abgesenkt.

CATARINA VON WEDEMEYER