Deutschland und Katar: Auf einen liberaleren Kurs lenken

Der Besuch des Emirs von Katar wurde im Nahen Osten mit Skepsis beobachtet. Und mit der Hoffnung, Berlin werde positiv auf Doha einwirken.

Tamim bin Hamad al-Thani und Olaf Scholz schütteln sich die Hände

Tamim bin Hamad al-Thani beim Treffen im Kanzleramt in Berlin Foto: Michael Sohn/ap

Die neuen Umstände, die der Krieg in der Ukraine schafft, zwingen Deutschland zur Suche nach alternativen Energiequellen. So kam es auch, dass der Emir von Katar, Tamim bin Hamad al-Thani, jüngst Berlin besuchte. Das kleines Emirat ist kaum so groß wie Schleswig-Holstein, eine Halbinsel im Persischen Golf, überwiegend Wüste, mit einer Gesamtbevölkerung von weniger als 3 Millionen Seelen, von denen nur rund 300.000 BürgerInnen sind.

Diese kleine Halbinsel verfügt, wie viele andere Golfstaaten, über riesige Mengen von Öl und Erdgas. Und damit über einen enormen Reichtum und weitreichende wirtschaftliche Macht. Im Gegensatz zu anderen Golfstaaten, wie Kuwait oder Oman, befindet sich Katar schon seit einigen Jahren auf einem eigenen unabhängigen politischen Weg, ehrgeizig, „frech“, sich nicht von der saudi-arabischen Hegemonie beeinflussen lassend und sogar mit ihr kollidierend.

Dieser Kurs führte Katar zum frontalen Zusammenprall mit Ägypten, mit Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten, die einen Boykott gegen das Emirat verhängten, was allerdings misslang. Katar bewies beeindruckende Widerstandsfähigkeit. Was Saudi-Arabien und die Verbündeten verärgerte, war der komplizierte Alleingang, den Katar im Minenfeld der Regionalpolitik vollführte.

Der Flirt mit Iran, die Unterstützung der Hisbollah im Libanon und Bewegungen wie der Hamas in Gaza. Katar ist die Heimat von al-Dschasira, eine Medienmacht, die arabische Regierungen scharf kritisiert und die einerseits den Arabischen Frühling, andererseits radikal islamische Organisationen, wie die Muslimbrüder, unterstützt.

Die Interessen sind gegenseitig

Al-Dschasira dient erklärtermaßen der Informationsfreiheit und sei komplett unparteiisch. Tatsächlich verfolgt der Sender eine klare Agenda – die des katarischen Regimes: Unterstützung des radikalen Islam, entschlossener Widerstand gegen Israel und den Zionismus sowie Opposition gegen diktatorische Regime wie Ägypten und Saudi-Arabien. Es versteht sich von selbst, dass dieser Widerstand das eigene Regime in Katar, das monarchisch ist, ausnimmt.

Das Emirat nimmt mittels al-Dschasira großen Einfluss auf die Stimmung in der arabischen Welt, auf politische und wirtschaftliche Prozesse. Es scheint, als agiere Katar konsequent nach starrer Agenda, hat aber nicht selten Pragmatismus und Flexibilität durchblicken lassen, wenn es um politische und wirtschaftliche Interessen geht.

So besteht die Hoffnung, dass die Annäherung an Deutschland eine Möglichkeit eröffnet, dass Berlin einen Einfluss ausübt, um Katar zu einem moderateren Kurs zu bewegen und den kleinen Ölstaat näher an pragmatische und liberalere Tendenzen im Nahen Osten heranzuführen. Eine gewagte Hoffnung insofern, da es Deutschland ist, das aktuell ein dringendes Interesse an der Kooperation mit Katar signalisiert, denn Deutschland braucht katarische Brennstoffe.

Allerdings sind wie so oft die Dinge komplizierter, als sie erscheinen mögen. So schreibt Paul-Anton Krüger in der Süddeutschen Zeitung: „Wirtschaftlich ist Katar nicht darauf angewiesen, LNG nach Deutschland zu verkaufen. Politisch allerdings strebt Doha schon länger eine engere Kooperation mit Berlin an.“

Auch wenn Deutschland die Nähe gerade zu Katars Gegnern, wie den Emiraten, wichtiger erscheinen mag, ist es an Bundeskanzler Scholz, das heikle Spiel richtig zu spielen, und sich Katar anzunähern, ohne die Nähe zu den anderen Golfstaaten aufzugeben. Ziel ist ein Netzwerk von gemeinsamen Interessen, das die Politik Katars liberalisiert und auf die Wahl seiner Verbündeten wirkt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist Autor mehrerer Romane und populärwissenschaftlicher Schriften zu jüdischem Denken. Er leitet die Abteilung für Jüdische Kultur an der Sapir-Hochschule in Sderot.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.