Innenministerkonferenz startet: Mit allen Mitteln gegen den Hass

Die Innenministerkonferenz will gegen Onlinehetze vorgehen – auch mit umstrittenen Maßnahmen wie der Vorratsdatenspeicherung. FDP und Grüne bremsen.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und Bundesinnenministerin Nancy Faeser bei einer Pressekonferenz im April 2022 in Berlin.

Was tun gegen Onlinehass? Bayerns Joachim Herrmann (CSU) und Bundesinnenministerin Faeser (SPD) Foto: Emmanuele Contini/imago

BERLIN taz | Ob Hetzbeiträge auf Social-Media-Kanälen oder dort Aufgeputschte, die wegen der Coronapolitik Gesundheitsminister Karl Lauterbach entführen wollten – Hass im Internet bleibt ein Problem. Erst kürzlich zeigte der Satiriker Jan Böhmermann auf, wie träge die Polizei dazu teils ermittelt. Die In­nen­mi­nis­te­r:in­nen von Bund und Ländern wollen nun den Onlinehass auf ihrer am Mittwoch startenden halbjährlichen Konferenz angehen – auch mit umstrittenen Maßnahmen.

In mehreren Beschlussvorlagen wird nach taz-Informationen vor der Gefahr durch den Onlinehass gewarnt, der in realer Gewalt münden könne. Dagegen brauche es eine Früherkennung von sich radikalisierenden Personen im Internet und eine „umfangreiche, elektronisch unterstützte Informationsgewinnung“ durch die Sicherheitsbehörden, wie es dort heißt. Insgesamt müsse der Eindruck widerlegt werden, dass das Internet ein rechtsfreier Raum sei.

Vor allem die Unions-Innenminister:innen machen dabei Druck. Die Bekämpfung von Hass im Netz werde ein Schwerpunkt der Konferenz sein, sagte Gastgeber Joachim Herrmann, CSU-Innenminister in Bayern, der taz. „Handlungsbedarf sehen wir vor allem in Bezug auf die anonyme Verbreitung.“ Herrmann tritt dafür ein, dass Nut­ze­r:in­nen bei Registrierungen in sozialen Netzwerken ihre Klarnamen angeben müssen. Die Anbieter müssten diese dann prüfen – und im Ermittlungsfall an die Polizei herausgegeben. Um die Umsetzung zu prüfen, werde man eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe vorschlagen, kündigte Herrmann an.

Innenminister wollen Identifizierungspflicht

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) unterstützt den Vorstoß ebenso. „Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein, in dem im Schutz von Anonymität beliebig Hass und Hetze verbreitet und schwere Straftaten geplant oder begangen werden“, sagte seine Sprecherin der taz. Eine Identifizierungspflicht in Netzwerken wird indes schon länger diskutiert, auch unterstützt etwa durch den SPD-Innenminister Boris Pistorius – bisher aber ohne Umsetzung wegen rechtlicher Probleme.

Die In­nen­mi­nis­te­r:in­nen wollen aber noch mehr. So heißt es in einer Vorlage, dass Telekommunikationsanbieter im Überwachungsfall auch eine „entschlüsselte Ausleitung“ von Inhalten an Er­mitt­le­r:in­nen liefern müssten. Auch diese Forderung nennt Reuls Sprecherin „essenziell“, wenn es um die Verfolgung schwerer Straftaten geht. Selbstverständlich aber brauche es „Augenmaß“.

Und Reul pocht auch auf einen weiteren Klassiker: die Vorratsdatenspeicherung. Deren Bedeutung sei „besonders hervorzuheben“, so seine Sprecherin. „Ohne sie ist es in vielen Fällen nicht möglich, dem staatlichen Auftrag der Strafverfolgung gerecht zu werden.“ Nur so könnten bei Onlinehass oder der Verbreitung von Kindesmissbrauchsbildern längerfristig IP-Adressen gesichert und Täter identifiziert werden.

Auch Faeser ist offen für die Verstöße

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ist den Forderungen nicht abgeneigt. Zu den Böhmermann-Recherchen fordert ihre Sprecherin Fortbildungen in den Polizeidienststellen, damit Hinweise auf Onlinehass „überall ernst genommen und unmittelbar verfolgt“ würden. Und auch sie betont: „Hasskriminalität im Internet stellt eine große Gefahr für das friedliche Zusammenleben in einer freien, offenen und demokratischen Gesellschaft dar.“ Eine Strafverfolgung scheitere aber vielfach an der Anonymität der Täter:innen, beklagt auch das Ministerium. Man begrüße daher, dass Möglichkeiten geprüft würden, besser gegen anonymen Onlinehass vorzugehen.

Auch das verpflichtende Speichern von IP-Adressen und Portnummern durch Telekommunikationsanbieter sei „unverzichtbar“, betont Faesers Sprecherin. Andernfalls liefen auch hier Ermittlungen ins Leere. Eine konkretere Umsetzung oder Speicherfristen lässt das Ministerium indes offen. Und auch dort wird beklagt, dass verschlüsselte Kommunikation Überwachungsmaßnahmen erschwerten, die bei der Verfolgung schwerer Straftaten oder zur Gefahrenabwehr rechtlich zulässig seien.

„Forderungen aus dem Wolkenkuckucksheim“

Aber die Koalitionspartner in der Ampel bremsen. Dort hat Justizminister Marco Buschmann (FDP) bereits klar der Vorratsdatenspeicherung eine Absage erteilt: Das anlasslose Massenspeichern verstoße gegen Grundrechte. Die Vorratsdatenspeicherung liegt hierzulande bereits seit 2017 auf Eis, ein Rechtsstreit vor dem Europäischen Gerichtshof dauert an.

FDP-Innenexperte Konstantin Kuhle wendet sich auch gegen die anderen Überwachungsforderungen. Bei der Verfolgung von Onlinehass mangele es vor allem an der Durchsetzung, so Kuhle zur taz. „Anstatt immer neue Befugnisse für die Sicherheitsbehörden zu fordern, sollten die Länder dafür sorgen, dass Polizei und Justiz technisch und personell so ausgestattet sind, dass sie ihren Aufgaben, auch im Internet, nachkommen können.“ Es nützte den Ermittlern nicht, weitreichende Instrumente zu bekommen, die sich letztlich als rechtswidrig und nicht anwendbar erwiesen, so Kuhle. Er plädiert etwa für das „Quick Freeze“-Verfahren, bei dem Internetprovider erst nach einem Anfangsverdacht Daten von konkreten Nut­ze­r:in­nen speichern.

Auch der Grüne Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz kritisiert, dass die In­nen­mi­nis­te­r:in­nen „noch immer allzu häufig in einer längst überholten sicherheitspolitischen Denke“ verharrten. Die Vorratsdatenspeicherung oder Identifizierungspflicht griffen „unverhältnismäßig tief in Bürgerrechte ein“ und seien „verfassungsrechtlich erwiesenermaßen nicht umsetzbar“, so von Notz zur taz. Es brauche nicht „Forderungen aus dem Wolkenkuckucksheim, sondern verbesserte Kooperatio­nen der zahlreichen Akteure in unserem föderalen System sowie glasklare rechtsstaatliche Rechtsgrundlagen“. Nicht umsetzbare Vorschläge erhöhten dagegen nicht die Sicherheit, sondern „delegitimieren die herausragend wichtige Arbeit unserer Sicherheitsbehörden“.

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