Denkmal für einen Milliardär: Herr Kühne hat eine Idee

Hamburgs Patriarch Klaus-Michael Kühne möchte ein neues Opernhaus. Die Stadt will es nur geschenkt, doch der Investor hat wirtschaftliche Interessen.

Hamburger Staatsoper am Gänsemarkt

Kann weg, sagt Herr Kühne: Das Hamburger Opernhaus am Gänsemarkt Foto: Markus Scholz/dpa

BREMEN taz | Wenn es nicht die Idee eines sehr, sehr reichen weißen, also in jeder Hinsicht überprivilegierten alten Mannes wäre: Die Diskussion könnte hier schon zu Ende sein. Schließlich gab es – aus Gründen! – bis jetzt gar keine öffentliche Debatte darüber, ob Hamburg ein neues Opernhaus braucht.

Dann aber hat Klaus-Michael Kühne kurz vor seinem 85. Geburtstag den Spiegel empfangen, für eine Homestory. Ebenda hat der Multimilliardär dann in patriarchaler Gutsherrenart seine Idee verlautbaren lassen: Hamburg braucht ein neues Opernhaus.

Die örtliche Staatsoper nämlich missfällt dem Großinvestor, der schon seit Jahrzehnten als Steuerflüchtling in der Schweiz lebt, aber in Hamburg geboren wurde und sich irgendwie als Hamburger fühlt. Der Bau sei „asbestverseucht“, die Akustik „mangelhaft“, das Niveau „Durchschnitt“. Dem Haus fehle die „Strahlkraft“, Hamburg habe „Besseres“ verdient, so Kühne: „Dazu möchte ich gerne einen Beitrag leisten.“ Zumal klar ist, dass Kühnes Investment in den HSV nicht lohnt – der Club ist undankbar, will ihn nicht recht bei Transfers mitreden lassen und bleibt notorisch zweitklassig.

Kühnes Idee klingt zunächst nach edlem Mäzenatentum eines Mannes, den uns der Spiegel als „Musikliebhaber“ und Poeten vorstellt, der keine Kinder hat, gern unter der Dusche singt; aber so einfach ist die Sache nicht, auch wenn Kühne selbst weiß, dass er nicht mehr in diesem Opernhaus wird sitzen können – „so realistisch muss man sein“.

Ein Leuchtturm für die Hafencity

Stehen soll es nach seinen Vorstellungen in der Hafencity – in der Gegend, in der aktuell der „Elb­tower“ des österreichischen Immobilienmagnaten René Benko entsteht, auch er ein Milliardär von bisweilen zweifelhaftem Ruf. Mit 245 Metern soll das Hochhaus einmal Hamburgs höchstes Gebäude werden, also ein Denkmal für den Investor. Benko gehören in Hamburg schon die Alsterarkaden, ein Luxuskaufhaus und etwa die geplante neue Gänsemarktpassage.

Bundesweit bekannt wurde er als Eigentümer der Galeria Karstadt Kaufhof. Mit Benko nun arbeitet Kühne nach eigenen Angaben ein „Finanzierungskonzept“ für die Oper aus. Der Neubau soll bis zu 400 Millionen Euro kosten dürfen. Ob man dafür angesichts der Baukosten von Opernbauten in Düsseldorf, Stuttgart oder Köln eine neue Oper bekommt, ist fraglich.

Und was soll aus der aktuellen Staatsoper werden, am Gänsemarkt? Den für seine Zeit sehr typischen Bau von 1955 will Kühne einfach abreißen und dort „ein modernes Immobilienprojekt entwickeln“, erklärt er, und verdrängt dabei, dass das Haus ja denkmalgeschützt ist und es in Hamburg schon seit 1678 ein Opernhaus gibt – es war das erste privatwirtschaftlich geführte im Land.

Doch Tradition und kulturelles Erbe sollen Kühne nicht im Wege stehen: „Dann könnten wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“, sagte Kühne dem Spiegel. Das nicht näher erläuterte „Immobilienprojekt“ in bester Lage ist also Teil des „Finanzierungskonzeptes“.

Die Linkspartei spricht von einem „vergifteten Angebot“

Die Stadt hat bereits erklärt, dass sie ein neues Opernhaus höchstens geschenkt haben will und der Abriss des bestehenden nicht in Frage kommt. Der Erste Bürgermeister und der Kultursenator hätten zudem „klar zum Ausdruck gebracht“, dass auch ein Mietkaufmodell ausscheide, so der Senatssprecher: „Eine Schenkung nach dem Vorbild der Kopenhagener Oper wäre dagegen ein bemerkenswertes mäzenatisches Engagement.“

Davon wiederum hat Geschäftsmann Kühne nichts gesagt, bisher. Wenn doch, erklärt die Stadt, dass sie die Bereitstellung und Erschließung eines Grundstücks sowie die Verlagerung des Opernbetriebs „prüfen“ werde. Weniger kann man kaum versprechen.

Die Linkspartei sprach von einem „vergifteten Angebot“ und sagte, dass es „einen weiteren Ausverkauf der Innenstadt“ nicht geben dürfe. Kühne und Benko gehe es nicht um ein gemeinnütziges Vorhaben, sondern um „knallharte Wirtschaftsinteressen“, Benkos Droh- und Druckpotenzial in Hamburg „ist bereits viel zu hoch“.

Das Argument, dass das bisherige Opernhaus „asbestverseucht“ sei, findet die Linke „fadenscheinig“. Und, in der Tat, dieser „bauzeittypische Mangel“ sei „seit langem bekannt“, erklären die Behörden. Er werde „Schritt für Schritt bereits in Angriff genommen“. Es bestehe keine gesundheitliche Gefährdung, weder für Beschäftigte, noch für Besucher:innen.

Kein Geld für das „Arisierungs“-Mahnmal

Opernintendant Georges Delnon findet die Idee erwartungsgemäß gut – ein spektakuläres neues Opernhaus wäre „ein starkes Signal“, sagt er, „würde den gesellschaftlichen Wert der Oper spiegeln und weltweit als ein wichtiges Statement für die Hochkultur wahrgenommen werden“. Hat Hamburg dafür nicht die Elbphilharmonie, in der es eine nicht-öffentliche Lounge gibt, die Kühnes Namen trägt? Auf eine Qualitätsdebatte mochte Delnon sich eh nicht einlassen. Da hilft bei Mängeln ein neues Haus auch nicht.

In Bremen, am Sitz der neuen Deutschlandzentrale des Logistikkonzerns Kühne und Nagel, gäbe es noch andere Ideen für bemerkenswertes Engagement: So könnte sich Kühne ja an den Kosten des “Arisierungs“-Mahnmals beteiligen. Schließlich wurde der Konzern nur so groß, das haben Historiker nachgewiesen, weil er im Nationalsozialismus eine Quasimonopolstellung für den Transport beschlagnahmter Möbel aus ganz West­europa innehatte.

Gleichwohl wurden diese NS-Profite beharrlich bagatellisiert, anfangs sogar komplett geleugnet. Bis Redaktionsschluss war von einer finanziellen Beteiligung Kühnes an den Kosten des Mahnmals und der Erinnerungsarbeit nichts bekannt. Aber derlei strahlt auch nicht so viel Glanz auf die Nachwelt aus wie ein neues Opernhaus.

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