Bundeswehr-Werbung auf Stadtbussen: Göttingen bleibt beim Flecktarn

Als „zutiefst unethisch“ verurteilen Die Partei und Volt im Göttinger Stadtrat die Bundeswehr-Werbung auf Bussen. Aber ihre Kritik bleibt folgenlos.

Auf dem Truppenübungsplatz Jägerbrück erhalten Panzergrenadiere der Panzergrenadierbrigade 41 "Vorpommern" innerhalb der Übung "Haffsturm" eine Unterweisung mit der Panzerfaust 3.

Nichts weiter als ein Job? Ein Panzergrenadier im Mai 2022 bei der Ausbildung in Jägerbrück Foto: dpa / Bernd Wüstneck

GÖTTINGEN taz | Seit einem guten halben Jahr fahren Stadtbusse der Göttinger Verkehrsbetriebe (GÖVB) großflächig Reklame für die Bundeswehr. Statt im vertrauten blauen Anstrich zirkulieren einige Fahrzeuge in Flecktarn-Optik durch die Stadt. Den Parteien Volt und Die Partei, die im Göttinger Rat eine gemeinsame Gruppe bilden, stößt das bitter auf.

Als Arbeitgeberin steche die Bundeswehr aus allen anderen Angeboten für Berufsanfänger heraus, da der „Dienst an der Waffe“ – zumindest potentiell – das Töten von Menschen be­inhalte, heißt es in einer Anfrage, die Volt und Die Partei Ende April an die Göttinger Oberbürgermeisterin Petra Broistedt (SPD) richteten. Broi­stedt ist Vorsitzende des Aufsichtsrates der städtischen Tochtergesellschaft GÖVB. Eine Entscheidung für die Bundeswehr sei somit mehr als eine beliebige Karriereentscheidung, nämlich eine ethische Abwägung.

Eine Werbung, die diesen ernsten Hintergrund bewusst verschleiere und mit griffigen Slogans verharmlose, sei „als zutiefst unethisch und geschmacklos zu verurteilen“, so die oppositionelle Ratsgruppe. Konkret begehrten Volt und Die Partei unter anderem Auskunft darüber, wie „die großflächige Werbung für die Bundeswehr auf Flächen einer städtischen Tochtergesellschaft mit dem Bild eines modernen Göttingen, einer 'Stadt, die Wissen schafft’ zu vereinbaren“ sei. Mit diesem Zusatz „Stadt, die Wissen schafft“ bewirbt sich Göttingen seit einigen Jahren digital und analog selbst.

Oberbürgermeisterin Broi­stedt ließ die Anfrage an die GÖVB weiterreichen. Die Verkehrsbetriebe teilten nun mit, sie hätten ihrem Vertragspartner – der Werbeagentur Ströer – „das ausschließliche Recht eingeräumt, die Busflächen zu Werbezwecken zu nutzen“. Dafür erhielten die GÖVB eine pauschale Vergütung.

Comouflage-Look wie im Krieg

Die Bundeswehr sei eine Parlamentsarmee. „Mit Ströer haben wir vertraglich geregelt, dass Werbung auf unseren Bussen nicht zulässig ist, wenn die Inhalte gegen behördliche Anordnungen, allgemeine Gesetze oder gegen die guten Sitten verstoßen oder rassistische Inhalte haben“, heißt es weiter. „Auch Werbung für politische Parteien, Alkohol oder Zigaretten ist nicht zulässig. Insofern ist Werbung für die Bundeswehr zulässig.“

Eine eigenartige Schlussfolgerung, findet Ratsfrau Helena Arndt (Die Partei): „Man könnte durchaus nun die Frage stellen, wie ‚gesundheitsschädlich‘ etwa ein Auslandseinsatz in Kriegs – und Krisengebiete ist im Vergleich zu Alkohol und Zigaretten“, sagte sie. „Allerdings möchten wir nicht in Zynismus abgleiten.“ Vielmehr sei die Ratsgruppe „ehrlich betroffen“, dass die besondere Stellung der Bundeswehr als Arbeitgeberin wohl nicht gesehen werde.

Offensichtlich, so Arndt, mangele es bei den GÖVB auch an Sensibilität gegenüber den Empfindungen, die ein solcher Camouflage-Look von öffentlichen Fahrzeugen besonders auf Menschen habe, die etwa durch Kriegserlebnisse traumatisiert seien. „Auch scheinen bereits vorangegangene Diskussionen über das fragwürdige Werbekonzept der Bundeswehr im Allgemeinen an der GÖVB vorbeigegangen zu sein“, fügte die Ratsfrau hinzu.“

Aus Sicht der Die Partei- und Volt-Ratsgruppe trägt ein städtisches Unternehmen, das wie die GÖVB auch das gesamte Stadtbild mitpräge, eine besondere Verantwortung in der Auswahl ihrer Werbepartner. Der Bundeswehr stünden genügend andere Werbeflächen zur Verfügung. Sie sei außerdem sehr intensiv in die Berufsberatung bei der Arbeitsagentur eingebunden. Die beiden Parteien wünschten sich, „dass dieser Verantwortung Rechnung getragen wird und die Bundeswehr zukünftig als Werbepartnerin für Göttinger Busse ausgeschlossen wird“.

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