Da rockt sich was zusammen

KRIMINALITÄT Nach Schüssen auf einen Hells-Angels-Mann befürchtet die Polizei Racheakte. Ob die Behörde das Informationsleck in den eigenen Reihen geortet hat, ist weiter unklar

„Wir sind hier nicht im Volkshochschulkurs“

UDO WOLF (LINKE) ÄRGERT SICH ÜBER DIE ROCKER-AUFKLÄRUNG IM INNENAUSSCHUSS

VON SEBASTIAN ERB

André S. ist einer der bekanntesten Rocker Berlins, seit vielen Jahren führt er als „Präsident“ die Berliner Hells-Angel-Gruppe „Nomads“. Am Wochenende wurde er niedergeschossen und lebensgefährlich verletzt. Nun befürchtet die Polizei eine Eskalation der Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Rockergruppen. „Wir gehen davon aus, dass es einen Gegenschlag geben wird“, sagte Polizeisprecher Thomas Neuendorf der taz. In der Nacht zum Montag durchsuchte die Polizei die Gaststätte und die Wohnung des Opfers und stellte Beweismittel sicher.

„Derzeit ist die Verunsicherung der Szene aus unserer Sicht relativ groß“, sagte der Chef des Landeskriminalamts, Christian Steiof, am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Ende Mai hatte Innensenator Frank Henkel (CDU) das „Charter Berlin City“ der Hells Angels samt Unterstützergruppe „MG 81“ verboten. Danach gingen die Sicherheitsbehörden mehrmals gegen verschiedene Rockergruppen vor, erst Ende vergangener Woche waren 1.100 Beamte gegen die „Bandidos“ im Einsatz.

Am Sonntag war der Tatort der „Germanenhof“, eine von André S. betriebene Kneipe in Hohenschönhausen. Ein Rockertreffpunkt, den auch Fans des Fußballclubs BFC besuchen. Vor einigen Jahren gehörten auch Neonazis zu den Stammgästen, eine wichtige Rolle spielt die Kneipe für die rechtsextreme Szene aber nicht mehr. Gegen drei Uhr in der Nacht wurde S. direkt am Hintereingang aus nächster Nähe von mehreren Kugeln in den Oberkörper getroffen. Die Polizei geht davon aus, dass der Angriff von einer verfeindeten Bandidos-Gruppe ausging. Sie schließt aber auch nicht aus, dass ein Rivale aus den eigenen Reihen S. umbringen wollte. Bislang wurde kein Tatverdächtiger gefasst. S. liegt im Virchow-Klinikum in Wedding, bewacht von Polizisten. Er schwebe weiter in Lebensgefahr, heißt es.

Konkurrenten ausschalten

Um Motorradfahren geht es den Rockergruppen nur am Rande – von den rund 80 Mitgliedern des nun verbotenen „MC Berlin City“ etwa hatten laut Ermittlern nur 15 eine Maschine. Ziel des Clubs sei es vielmehr, „eigene Gebiets- und Machtansprüche gegenüber verfeindeten Clubs durchzusetzen“. Konkurrenten würden „unter Inkaufnahme von schwersten Verletzungen bis hin zum Tode ausgeschaltet“, heißt es in der 38-seitigen Verbotsverfügung. Es folgt eine lange Liste von Straftaten: Raub, Drogenhandel, versuchter Totschlag.

Doch die Hells Angels waren gewarnt und konnten rechtzeitig ihr Clubhaus räumen. Eine Blamage für die Ermittler, die seitdem nach dem Maulwurf in den eigenen Reihen suchen. Innensenator Henkel sagte am Montag, er könne über Konsequenzen erst sprechen, wenn das laufende Ermittlungsverfahren wegen Geheimnisverrats abgeschlossen sei. Die Abgeordneten der Opposition hatten sich vom Auftritt Henkels und der amtierenden Polizeipräsidentin Margarete Koppers Aufklärung über das Info-Leck erhofft. Dass aus Zeitmangel lediglich LKA-Chef Steiof Geschichte und Struktur der Rockerclubs vorstellte, rief den Protest von Oppositionsabgeordneten hervor. „Wir sind doch nicht im Volkshochschulkurs“, rief Udo Wolf, Fraktionsvorsitzender der Linkspartei. Damit der Diskussionsbedarf nicht erst nach der Sommerpause gestillt wird, haben die Oppositionsfraktionen eine Sondersitzung des Innenausschusses beantragt.