Höllenspaß in Leipzig

Beim Spiel um den dritten Platz geht es für die deutsche Nationalmannschaft um eine positive Confed-Cup-Bilanz – die Mexikaner sind derweil mit den Gedanken bei der Copa Libertadores

VON MATTI LIESKE

Hübsche Idee, die Sache mit den Videobildern. Während Jürgen Klinsmann der versammelten Presse erläuterte, warum das heutige Spiel um Platz drei gegen Mexiko in Leipzig „sehr, sehr ernst“ zu nehmen sei, flimmerten ständig Szenen über den vor dem Podium postierten Schirm, in denen der Bundestrainer mit seinen Adlaten beim Torjubel zu besichtigen war. Ob sich den suggestiven Coup nun der Teampsychologe ausgedacht hat, der Medienstab oder Klinsmann selbst, ist nebensächlich, die Botschaft jedenfalls war klar: Nationalmannschaft macht Spaß, Confederations Cup macht Spaß und selbst das „kleine Finale“ macht Höllenspaß. Danach, so der Bundestrainer, werde man sich zusammensetzen und analysieren, was diese WM-Simulation an Erkenntnissen gebracht habe.

Positiv wird die Bilanz selbstverständlich ausfallen, doch wie positiv, das hängt auch von diesem letzten Spiel ab. „Es geht im Spiel um Platz drei weniger darum, einen bestimmten Platz zu belegen“, weiß Oliver Kahn, offenbar neuerdings im deutschen Fußball für die konfuzianischen Weisheiten zuständig. Für ihn zum Beispiel geht es darum, in Zeiten wankender Torwarthierarchien seinen Rang als Nummer eins vorerst zu behaupten. In den vier Partien bisher hat noch kein deutscher Keeper einen nennenswerten Fehler begangen, nur einmal stand dabei Kahn zwischen den Pfosten. Sollte ausgerechnet ihm heute ein Missgeschick widerfahren, wäre das doch peinlich, zumal der Bundestrainer gerade angekündigt hat, er werde sich in der Torwartfrage erst kurz vor der WM festlegen, was Kahn akzeptiert hat, jedoch mit einem Knirschen der Zähne, das von Leipzig bis Fröttmaning zu hören war.

„Mit einer Niederlage in die Pause zu gehen, wäre nicht so wünschenswert“, weist Bastian Schweinsteiger auf einen anderen Aspekt hin. Zwei Niederlagen genau genommen, da ja auch das Halbfinale gegen Brasilien mit 2:3 verloren gegangen war. Ein Sieg gegen Mexiko würde zusammen mit den guten Auftritten gegen Argentinien und die Brasilianer für eine positive Erinnerung sorgen, bei einer Niederlage bliebe eher hängen, dass dann nur zwei Spiele gewonnen worden wären, und das sehr wacklig. Entsprechend ist auch Klinsmann schnell wieder zu seiner ursprünglichen Klassifizierung des Confederations Cup zurückgekehrt, den er zunächst vor allem als „Lernprozess“ eingestuft hatte. Nach dem Gruppensieg war dann plötzlich der Gewinn des Turniers in den Vordergrund gerückt, Manager Oliver Bierhoff sprach gar vom „Weghauen“ der Brasilianer. Seit dem Halbfinal-Aus ist alles wieder beim Alten. „Wir leben in der Momentaufnahme“, sagt Klinsmann und lässt damit erkennen, dass das aktuelle Team mitnichten sein Nonplusultra darstellt, sondern dessen endgültige Besetzung bei der WM ähnlich offen ist wie die Torhüterfrage. Die Mexikaner würden „eine sehr hohe Messlatte“ darstellen, besonders weil sie einen völlig anderen Stil spielten als Brasilien und Argentinien. „Eine Mannschaft, die gemeinsam angreift und gemeinsam verteidigt“, so der Bundestrainer bewundernd, „eine tolle Möglichkeit, weiter dazuzulernen“.

Als „Überraschung des Turniers“ bezeichnete Klinsmann die Mexikaner. Das waren sie in allerlei Hinsicht. Mit ihrer eisernen Defensive, die bislang bloß zwei Tore zuließ, ihrem Sieg gegen Brasilien und ihrem Fast-Erfolg gegen sichtlich genervte und darob extrem perfide Argentinier, mit ihrer Doping-Scharade um die Spieler Carmona und Galindo und schon vorher mit ihren internen Querelen. Für fünf Akteure des mexikanischen Teams findet das wichtigste Spiel der Saison nämlich erst morgen statt, doch sie werden fehlen, wenn ihr Klub Chivas Guadalajara versucht, das 0:3 im Halbfinal-Hinspiel der Copa Libertadores gegen Paranaense aus Brasilien wettzumachen. Anders als Argentiniens Trainer José Pekerman, der River Plate seine Nationalspieler für die Copa-Matches gegen São Paulo ließ, bestand Mexikos Ricardo La Volpe auf dem Erscheinen des Quintetts beim Confed-Cup. Mit entsprechender Wut im Bauch kamen die Chivas-Spieler Oswaldo Sánchez, Ramón Morales, Alberto Medina, Carlos Salcido und Juan Rodriguez nach Deutschland; dass Argentinien nun an ihrer statt das Finale gegen Brasilien bestreitet, dürfte kaum zu ihrer Besänftigung beigetragen haben. Sie werden alles tun, um weitere Szenen für Klinsmanns Jubelvideo zu verhindern.