Bürgerbegehren in Lüneburg: Teilerfolg für die Fahrradfans

Der Stadtrat hat dem Bürgerbegehren „Radentscheid Lüneburg“ zugestimmt. Wann welche Maßnahmen für den Radverkehr umgesetzt werden, ist noch unklar.

Ein einsames Fahrrad steht zwischen leeren Fahrradstellplätzen

Aus einem werden in verschiedenen Städten hoffentlich bald viele Fahrräder Foto: Christian Charisius/dpa

LÜNEBURG taz | Lüneburg hat große Ziele: Bis 2030 will die Hansestadt klimaneutral sein. Ein Bürgerbegehren hat das im vergangenen Jahr erkämpft. Und nun soll die Stadt deutlich fahrradfreundlicher werden. Auch das liegt an den Bestrebungen einer Gruppe von Bürger:innen. Dem Begehren des „Radentscheids Lüneburg“ ist der Stadtrat in seiner Sitzung am vergangen Donnerstag mit großer Mehrheit beigetreten. Das bedeutet: Die geforderten Maßnahmen muss die Stadt nun völlig oder zumindest weitestgehend umsetzen.

Die Maßnahmen beinhalten den Bau breiter Radwege mit „Pop-Up“-Charakter, ein durchgängiges Radroutennetz, sichere Kreuzungen, wie es sie in den Niederlanden gibt, und deutlich mehr Abstellanlagen für Fahrräder. Auch ein Ring von Fahrradstraßen rund um die Lüneburger Innenstadt soll bis 2024 umgesetzt sein.

Die Gruppe, die dazu die Ini­tialzündung gegeben hat, traf sich erstmalig im Februar 2020, kurz vor Beginn der Coronapandemie. Nach einem symbolischen Sprung in die Ilmenau, um zu zeigen, dass „die Verkehrswende nicht ins Wasser fallen soll“, erzählt Sprecher Ronald Orth, schlossen sich weitere Mitglieder an. Knapp ein Jahr später konnte die Gruppe ihr Begehren der Verwaltung vorlegen.

In Niedersachsen – ähnlich wie in anderen Bundesländern – läuft ein Bürgerbegehren zweistufig ab. Zunächst muss eine Gruppe das Begehren anzeigen. Die Verwaltung prüft es daraufhin. Gibt sie ihr Okay, haben die Initiativen sechs Monate Zeit, Unterschriften zu sammeln. Bei einer Stadt mit bis zu 100.000 Ein­woh­ne­r:in­nen wie Lüneburg müssen zehn Prozent der Wahlberechtigten unterschreiben.

Hürden weiter senken

Innerhalb kürzester Zeit, sagt ein Mitglied der Gruppe, hatten sie die geforderten knapp 6.000 Unterschriften zusammen. Im Dezember konnten sie mehr als 7.000 Unterschriften einreichen. „Wir sind damit offene Türen eingerannt“, so das Gruppenmitglied. Der Radentscheid ist das dritte erfolgreiche Bürgerbegehren Lüneburgs seit der niedersächsischen Reform von Bürgerbegehren 2016.

Sobald die Unterschriften für gültig befunden sind, ist das Begehren zulässig und kann vom Stadtrat entweder beschlossen oder abgelehnt werden. Lehnt der Rat ab, kommt es zum Bürgerentscheid, das heißt alle Bür­ge­r:in­nen stimmen in Wahllokalen darüber ab.

Die Maßnahmen beinhalten den Bau breiter Radwege, ein durchgängiges Radroutennetz, sichere Kreuzungen und deutlich mehr Abstellanlagen für Fahrräder

Der Verein „Mehr Demokratie“ berät Gruppen bei direktdemokratischen Aktionen. Er kritisiert, wie umständlich Bürgerbegehren vor allem in Niedersachsen sind, und bemängelt, dass die Verwaltung lange braucht, bis alle Unterschriften geprüft sind.

„Die Unterschriften-Überprüfung in Lüneburg hat eindeutig zu lange gedauert. Offenbar haben die Verwaltungen zu viel Arbeit mit den vielen Unterschriften“, sagt Landessprecher Dirk Schumacher. Er fordert Reformen, um die Hürden für die demokratische Bür­ge­r:in­nen­be­tei­li­gung weiter zu senken. So sollen Unterschriften zum Beispiel auch digital eingereicht werden können.

Nicht jede Stadt stimmt einem Bürgerbegehren einfach so zu, wobei Fahrradentscheide gerade deutschlandweit sehr erfolgreich sind. In Braunschweig musste die Initiative „Fahrradstadt Braunschweig“ nicht einmal zum Unterschriften sammeln übergehen, da der Stadtrat schon vorher die geforderten Maßnahmen beschloss.

Die Umsetzung wird genau überwacht

In Schwerin gab es dagegen Auseinandersetzungen darüber, ob die Forderungen rechtlich zulässig seien. Dort half der Verein „Changing Cities“, der aus dem Berliner „Volksentscheid Fahrrad“ hervorgegangen ist und mittlerweile bundesweit Radentscheide untereinander vernetzt und unterstützt. Auch die Lüneburger Initiative nahm sich den Berliner Entscheid zum Vorbild, sagt Sprecher Orth. Nützlich neben dem Austausch mit weiteren Initiativen und der Weitergabe von Know-How ist auch die bereits existierende Vereinsstruktur, wodurch sich Initiativen recht einfach an den Verein anhängen können.

„Changing Cities“ unterstützt im Norden auch noch die Initiative in Osnabrück, die gerade in die Sammelphase der Unterschriften gestartet ist, und hat dem Entscheid in Hamburg geholfen, deren Forderungen der Hamburger Senat teilweise beschloss.

Nach den Anstrengungen, die eine Initiative durchläuft, um ihr Begehren zu formulieren, gegebenenfalls noch einen Finanzierungsplan aufzustellen, Leute zu mobilisieren und genug Unterschriften zu sammeln, steht selbst nach einem Beschluss durch den lokalen Rat dennoch nicht sicher fest, wann welche Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden. So sagte die Lüneburger Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch, dass die Umsetzung unter „dem Vorbehalt der Machbarkeit“ stünde. „Insofern finanzielle und personelle Ressourcen es zulassen“, setze die Stadt die Maßnahmen um.

„Wir verfolgen das als politische Initiative weiter“, sagt Orth. Er und seine Mit­kämp­fe­r:in­nen vom Radentscheid werden weiter aktiv bleiben und genau überwachen, wie ihre Forderungen umgesetzt werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.