Ein Mann im dunklen Anzug mit dem Rücken zum Betrachter steht vor Donald Trump mit rotem Basecap

David Perdue will ­Gouverneur von Georgia werden – mithilfe von Trump Foto: Alyssa Pointer/reuters

Wahlkampf in den USA:Showdown im Pfirsichstaat

Die Vorwahlsaison in den USA ist auch ein Test für Trump: Wie viel Macht hat er noch in seiner Partei? In Georgia könnte er sich verschätzt haben.

Ein Artikel von

21.5.2022, 16:49  Uhr

Etwas ist schiefgegangen. Die Türen der Veranstaltungsräume der Kirchengemeinde sind verschlossen, und keiner weiß, wo der Schlüssel ist. Deshalb wird das dunkelblaue Banner mit dem roten Elefanten, dem Symbol der Republikanischen Partei, nun draußen an der Ladefläche eines dunklen Pick-up-Trucks aufgehängt. Davor steht David Perdue – 72 Jahre, hochgewachsen, schlank. In seinem karierten Jackett und seinen glänzenden braunledernen Schnallenschuhen sieht er nicht so aus, als habe er regelmäßig mit Pick-up-Trucks zu tun. Ein Eindruck, den er während seines Auftritts tunlichst zu vermeiden versucht. „Das ist meine Art von Treffen, Leute“, sagt Perdue ein bisschen zu jovial und zeigt auf die Kirche hinter ihm. „Wisst ihr, da drin müsste man ja höflich sein …“ Die Umstehenden lachen.

Perdue will Gouverneur von Georgia werden und tourt deshalb durch die Ortsvereine. Er ist ein bisschen zu spät gekommen zum Treffen im Dorf Watkinsville. Die Re­pu­bli­ka­ne­r*in­nen von Oconee County haben schon ohne ihn mit ihrem monatlichen Meeting begonnen, seine Chance zum persönlichen Tête-à-Tête hat er vertan. Als Perdue das Wort bekommt, geht er nach kurzem Begrüßungsgeplänkel sofort in die Vollen: „Unser Staat ist in Schwierigkeiten. Wir sind an einem Kipppunkt.“

Die Bedrohung ist hier die Demokratische Partei – und Perdue in seiner Erzählung der Retter. „Sehen Sie, ich kandidiere nicht, um Karriere zu machen. Ich hatte mein Geschäft 40 Jahre lang. Es geht darum, unseren Staat zu retten“, sagt Perdue. Er spricht frei, seine Stimme ist durchdringend. Wenn Perdue merkt, dass ein Punkt ankommt, feuert er das Publikum mit einem kurzen „Come on, guys!“ zu Applaus an. Er versucht, sich als Klartext-Redner darzustellen.

Doch Perdue ist auf schwierigem Terrain, er tritt gegen den Amtsinhaber an – der auch Republikaner ist: „Ich war’s nicht. Die Partei war schon gespalten, bevor ich ins Rennen kam“, sagt Perdue. Noch am Vorabend hat er sich bei einem TV-Duell mit seinem Parteikollegen und Konkurrenten Brian Kemp so gezankt, dass einige von „Kindergarten“ sprachen. Perdue braucht dringend Unterstützung, um bei den Vorwahlen am 24. Mai zum offiziellen Kandidaten der Partei gewählt zu werden.

Dieser Artikel wurde möglich durch die finanzielle Unterstützung des Recherchefonds Ausland e.V. Sie können den Recherchefonds durch eine Spende oder Mitgliedschaft fördern.

➡ Erfahren Sie hier mehr dazu

Dabei hat er das, was bei den Re­pu­bli­ka­nern mancherorts als „das goldene Ticket“ gilt: Donald Trumps Rückendeckung. Es ist Vorwahlsaison, die Parteien stimmen darüber ab, wer für sie bei den Halbzeitwahlen im November ins Rennen gehen darf, wenn ein Drittel des Senats und das gesamte Repräsentantenhaus gewählt werden. In einigen Bundesstaaten stehen darüber hinaus noch weitere Wahlen an, wie in Georgia, wo die Wäh­le­r*in­nen unter anderem über ihren nächsten Gouverneur abstimmen werden.

Der frühere US-Präsident hat insgesamt knapp 130 Kan­di­da­t*in­nen fast überall in den USA seine Unterstützung zugesagt. Die Wahlsaison ist also auch ein Test: Hat Trump noch genug Macht und Ansehen, den Königs­macher zu spielen?

In manchen Wettbewerben um die Kandidatur hat sein Kalkül schon funktioniert. In Ohio zum Beispiel ließ Trumps öffentliche Unterstützung ­seinen Protegé, den Schriftsteller J. D. Vance, in den Um­fragen hochschnellen. Er gewann die Vorwahl, die dort schon Anfang Mai war. An vielen anderen Orten hat Trump sich Kan­di­da­t*in­nen ausgesucht, deren Sieg bei den Halbzeitwahlen als sicher gilt.

Aber in Georgia? Hier mischt Trump sich in ein brisantes Rennen ein, das die Risse in der Republikanischen Partei offenlegt und zeigt, wie abgedriftet die Partei teils schon ist. Georgia könnte auch Trumps Image als Königsmacher gefährden.

Der Wahlkampf in Georgia legt die Risse in der Republikanischen Partei offen

Trump und Perdue haben in dem Bundesstaat vor allem ein Problem: Der derzeitige Amtsinhaber, der republikanische Gouverneur Brian Kemp, will sich wiederwählen lassen. Kemp hatte früher auch mal das Trump’sche goldene Ticket, das war im Jahr 2018. Damals erklärte Trump, eine Stimme für Kemp sei auch eine für ihn – Georgia wählte ihn zum Gouverneur. Heute klingt das aus Trumps Mund so: „Brian Kemp ist ein Wendehals, ein Feigling und ein komplettes und totales Desaster.“

Zwischen 2018 und 2022 lag die Präsidentschaftswahl, die der Demokrat Joe Biden gewann. Das will Trump aber bis heute nicht eingestehen. Kemp ist deswegen ein Feindbild: Als Gouverneur bestätigte er die Wahlergebnisse seines Bundesstaats, der zuvor lange als sicher konservativ galt, dann aber knapp an Biden ging. Der Ex-Präsident und seine Wäh­le­r*in­nen­schaft behaupten nach wie vor, die Wahl sei „gestohlen“ worden. Kemp ist in Trumps Welt nun einer von den „Rinos“: Ein „Republican in name only“, ein versteckter Liberaler. Keine ganz neue Beleidigung – aber aus Trumps Mund sind damit nun offensichtlich alle gemeint, die bei seinen Lügen nicht mitmachen.

Das ist der Graben, der zwischen den Kan­di­da­t*in­nen verläuft – und durch die Partei. „Brian hatte Trumps Unterstützung – wisst ihr, wer sie nun hat? Ich!“, ruft Perdue in Watkinsville. „Er hat sie nicht in diesem Jahr, er wird sie nicht bekommen, und wie in aller Welt soll er die Trump-Wähler*innen dazu bewegen, rauszugehen und ihre Stimme abzugeben?“

Dabei ist Kemp stramm konservativ. Von Perdue, der früher Senator war, unterschied ihn nie besonders viel: Beide wollen schwache Waffengesetze, sie hetzen gegen Einwanderung und gegen in ihren Augen zu „woke“ Schulen. Kemp hat sich in seiner früheren Position als „Secretary of State“ von Georgia einen unrühmlichen Namen damit gemacht, das Wählen vor allem für nichtweiße Bür­ge­r*in­nen mit allerhand Schikanen erschwert zu haben.

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Als Gouverneur hat Kemp 2019 ein Gesetz unterzeichnet, das Abtreibungen ab etwa der sechsten Woche verbieten würde, also bevor viele Schwangere von ihrer Schwangerschaft überhaupt wissen. Ein Gericht allerdings verhinderte das Inkrafttreten. Nach Signalen, dass der Supreme Court bald strengere Gesetze möglich machen könnte, kündigte wiederum David Perdue an, ein komplettes Verbot von Abtreibungen zu unterstützen, selbst bei Vergewaltigungen.

Also: radikal gegen radikaler? Perdue muss auch am Abend im Dorf Watkinsville etwas mehr aufbieten, um sich abzusetzen. Der Südstaat Georgia ist landwirtschaftlich geprägt, das verrät schon sein Spitzname „Pfirsichstaat“. Zwar ist der Bundesstaat nicht der größte Produzent von Pfirsichen in den USA – aber einer der größten sowie die Nummer eins bei Erdnüssen, Pekannüssen und Blaubeeren. Watkinsville liegt im Nordosten Georgias, mit dem Auto etwa 75 Minuten entfernt von der Hauptstadt Atlanta, dem Geburtsort Martin Luther Kings. Die Gegend hat ländlich-idyllischen Charakter – und genau den, glaubt man den Kritiker*innen, könnte ein lokales Projekt stören.

Der US-amerikanische Elektroautohersteller Rivian plant, auf 809 Hektar eine Fabrik zu bauen. Für Kemp ist das ein erfolgreicher Deal, der Arbeitsplätze schafft, An­woh­ne­r*in­nen fürchten jedoch den Verlust von landwirtschaftlicher Fläche. Sie sorgen sich um die Wasserversorgung und bezeichnen die Planung als intransparent. Für Herausforderer Perdue ist das eine Chance, sich als Alternative zum Amtsinhaber zu profilieren. „Rivian ist eine woke kalifornische Firma, die sich mehrheitlich im Besitz von George Soros befindet“, sagt er in Watkinsville. Soros, der häufig von rechten, antisemitischen Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ke­r*in­nen verunglimpft wird, erwähnt Perdue gleich mehrfach – es ist ein Zwinkern in Richtung Schwurbler*innen. Nach Recherchen von Bloomberg ist Soros Fund Management nur der zehntgrößte Aktionär von Rivian. Hört man Perdue zu, gewinnt man den Eindruck, dass Soros in Georgia eigentlich überall seine Hände im Spiel habe.

Ein Mann im dunklen Jacket spricht in ein Mikro, hinter ihm auf dem Rasen Menschen mit Schildern "David Perdue"

David Perdue bei Protesten gegen eine Fabrik des Autoherstellers Rivian in Rutledge Foto: John Bazemore/ap

„Woke“ sowie „kalifornisch“, sprich: demokratisch – das will hier vor der Kirche in Watkinsville wirklich niemand sein. Es zögen derzeit viele Menschen aus New York und Kalifornien in die Gegend – ob sie befürchten müssten, dass es hier bald noch mehr De­mo­kra­t*in­nen gebe?, fragt eine Frau den Trump-Protegé Perdue. Wenn die „woke“ kalifornische Firma komme, dann ja, sagt der, ohne zu zögern. Perdues Kalkül: Wenn der Rivian-Deal den Menschen als intransparenter, von dunklen „woken“ Mächten gesteuerter Handel erscheint, färbt das auch auf den Gouverneur ab, der den Deal unterstützt.

Für Verschwörungserzählungen gibt es auch an diesem Abend ein Publikum. Victoria Cruz, eine Frau mittleren Alters, ist wütend auf Gouverneur Kemp. Er gehe überhaupt nicht auf die Kritik der Bür­ge­r*in­nen an Rivian ein, „und wir misstrauen unserem Gouverneur sowieso schon“. Kemp habe nicht geholfen, den „Wahlbetrug“ zu untersuchen. „Er ist komplett unempfänglich für all das, was die Bür­ge­r*in­nen wollen“, sagt Cruz. „Er regiert wie ein Diktator.“ Sie glaubt daran, dass die Pandemie orchestriert war, womöglich, um geheime Deals um die US-Wahl herum besser aushandeln zu können. Sie sei schon immer für die Republikaner gewesen, früher aber nicht politisch aktiv, sagt Cruz. Das änderte sich mit den Wahlen 2020, die auch sie für „gestohlen“ hält, danach trat sie in die Partei ein.

Für Wäh­le­r*in­nen wie Cruz wäre Perdue eigentlich wie gemacht. Doch er kann zumindest bei ihr nicht punkten. „Ich habe gerade ein Bild auf meinem Handy gesehen, auf dem er Brian Kemp im Frühjahr 2021 freudig umarmt“, sagt Cruz. Jetzt wisse sie auch nicht mehr, wer hier eigentlich wen anlügt, und sie fragt sich, wie es zu Perdues Sinneswandel kam.

Ihr Verschwörungsglaube wendet sich längst auch gegen die eigene Partei: Das Republican National Committee auf Bundesebene sei korrupt, genau wie das der Demokraten, sagt sie. „Beide haben Geheimpläne, die wir, die kleinen Leute hier unten, nicht kennen dürfen.“ Auch die Republikaner vor Ort seien beeinflusst davon. Neue Leute würden in den Ortsvereinen nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Sie habe ein halbes Dutzend Mal ehrenamtlich ausgeholfen bei Veranstaltungen. „Ich bekomme aber nur Anrufe für die Dinge, für die sie niemand anderes kriegen.“

Cruz ist nicht allein mit ihrem Verschwörungsglauben. Bei einer Umfrage im Januar dieses Jahres haben zwei Drittel der republikanischen Befragten der Falschaussage zugestimmt, dass „Wahlbetrug Joe Biden geholfen hat, die Wahl 2020 zu gewinnen“, berichtete der öffentliche Rundfunk NPR. Donald Trump heizt das weiter an, sät wieder und wieder Misstrauen.

Und das wird für viele republikanische Amts­trä­ge­r*in­nen zum Problem. Zum Beispiel für die Vorsitzende der Re­pu­bli­ka­ne­r*in­nen in Oconee County, Katherine Hurley. „Es ist sehr schwierig“, sagt Hurley auf die Frage, wie sich die erbitterten Positionen in ihrer Partei vereinen lassen. Einen Tag nach Perdues Besuch in Watkinsville sitzt sie beim Eistee auf der Terrasse eines Res­taurants im Ortskern. Die Immobilienmaklerin weicht der Frage des Wahlbetrugs ein wenig aus. Die Leute seien durchaus wütend, verlangten, dass sie etwas tue – „und auf gewisse Art und Weise mache ich das auch“, sagt Hurley. Sie ringt sichtlich um Worte, um die Trump-Seite zumindest teilweise zufriedenzustellen. „Aber ich bin eher ein Mensch, der nach vorne schaut, nicht zurück“, sagt sie schließlich. Hurley macht aber auch klar, dass sie glaubt, Gouverneur Kemp habe gemäß den Gesetzen gehandelt, als er die Wahlergebnisse und damit Trumps Niederlage formal bestätigte.

Nun, so sieht es Hurley, ist der Ex-Präsident auf Rachefeldzug. „Als Trump zunächst anfing, sich an diesem Rennen zu beteiligen, wurde es sehr persönlich“, sagt Hurley. „Er mag Kemp wirklich nicht. Er gibt Kemp die Schuld dafür, dass er Georgia nicht gewonnen hat.“ Aber Trump mische sich nicht nur da ein: Er sei in den Wettstreit um den Gouverneur verwickelt, den Vizegouverneur, den US-Senat und den zehnten Kongresswahlbezirk … Hurley spricht davon, dass eine Menge „Schachfiguren“ herumgeschoben würden.

Was sie Trump sagen würde, wenn sie ihn träfe? Hurley zögert kaum: „Sir, bei allem Respekt: Sie müssen sich aus Georgia raushalten. Lassen Sie uns das machen.“

In Trumps Welt sind seine Gegner „Rinos“: „Republicans in name only“, also versteckte Liberale

Noch am Vorabend hat Katherine Hurley der versammelten Menge bei Perdues Auftritt vor der Kirche gesagt, sie könne als Vorsitzende nicht sagen, wen sie wähle. Jetzt wird nach und nach klar, was sie von manchen Kan­di­da­t*in­nen mit Trump-Siegel für Georgia hält: „Herschel Walker – großartiger Football-Spieler. Ich kann ihn nicht genug loben. Ein Geschäftsmann mit jahrelanger Erfahrung“, sagt sie und kritisiert dann: „Er war aber bis vor etwa zwei Monaten noch ein Einwohner von Texas.“ Den Lokalfaktor hat der Ex-Präsident nicht beachtet.

In seiner Rachsucht unterschätzte er offenbar auch die Tatsache, dass Gouverneur Kemp beliebt ist bei den konservativen Wäh­le­r*in­nen – vor allem, weil der Bundesstaat so wenige Corona­restriktionen während der Pandemie hatte.

Letztendlich würde Hurley aber wohl jeden Republikaner unterstützen, der das Rennen für die Kandidatur macht. Und viele andere würden das auch, sie wollen unter allen Umständen gegen die demokratische Konkurrenz gewinnen: Re­pu­bli­ka­ne­r*in­nen­schreck Stacey Abrams ist die einzige Anwärterin ihrer Partei auf den Gouverneur*innenposten. Sie ist beliebt. Also heißt es für viele konservativ Gesinnte jetzt schon: Hauptsache, Stacey vermeiden.

„Wir wollen jemanden, der ist wie wir“, sagt Hurley. Sie zeichnet ein Bild einer fixen Identität, die sie für den Bundesstaat voraussetzt: Ihr Mann und sie haben ihren Sohn und ihre Tochter in Georgia auf eine christliche Schule geschickt, weil sie wollten, dass ihre Kinder auf dieselbe Art aufwachsen wie sie.

Ein Mann vor einem blauen Truck, einem Rivian electric truck, in Atlanta

Gouverneur Brian Kemp vor einem Elektroauto von Rivian Foto: John Bazemore/ap

Von Werten spricht auch Brian Kemp, als er zwei Tage später in hellen Jeans, Karohemd und Cowboystiefeln auf der Hinterhofveranda eines Grillrestaurants in Carrollton steht. Er hat seine Frau und eine seiner drei Töchter mitgebracht. Die Mittagssonne sticht, es ist eng und heiß. Im Publikum sitzen auch Doyle und Rebecca Akins, sie 79, er 80 Jahre alt. Beide haben zuvor Trump gewählt. Heute präsentieren sie sich im Partnerlook im roten Kemp-Fanshirt.

Woanders wurde Kemp schon einmal von wütenden Trump-Anhänger*innen angepöbelt. In Carrollton, einem idyllischen Städtchen mit etwa 27.000 Ein­woh­ne­r*in­nen im Nordwesten Georgias, ist das Publikum wohlwollend. Die örtlichen Wür­den­trä­ge­r*in­nen und Wäh­le­r*in­nen haben vor der Veranstaltung auf Kemps schwarz-roten Wahlkampfbus gewartet, beim Weg durch die Menge begrüßte er viele von ihnen persönlich, auch die Akins.

In seiner Ansprache konzentriert sich Kemp zunächst darauf, wie früh Georgia in der Pandemie anfing, Geschäfte wieder zu öffnen. Schon im April 2020 konnten etwa Spas und Bowling-Bahnen den Betrieb wieder aufnehmen – so zeitig, dass sich sogar Trump zögerlich äußerte. Dass Georgia mit seinen 343­ Covid-Todesfällen pro 100.000 ­Ein­woh­ne­r*in­nen im vorderen Mittelfeld der Bundesstaaten bei den Todeszahlen liegt, erwähnt Kemp natürlich nicht. „Wir haben nie Kirchen in Georgia geschlossen. Und solange ich euer Gouverneur bin, werden wir das auch nie“, sagt er. Dafür bekommt er viel Applaus.

Auf Trump geht er heute gar nicht erst ein, ebenso wenig wie auf Perdue. Gegen seinen Kontrahenten hat er zwei Tage zuvor indirekt ausgeteilt: In einem von Perdues Lieblingsrestaurants in dessen altem Heimatort Bonaire hat Kemp eine Regelung zur Senkung der Einkommensteuer in Georgia unterzeichnet.

Überhaupt lässt Kemp es vor den Vorwahlen noch einmal Gesetze regnen. David Perdue sagt bei seinem Wahlkampftermin: „Ich will den ­woken Mob raushaben aus unseren Schulen.“ Nur wenig später unterzeichnet Kemp Gesetze, die das Sprechen über Rassismus in Schulen einschränken – ausgerechnet in Forsyth County, wo 1912 ein brutaler Mob alle Nichtweißen mit ­Gewalt aus dem County jagte, bis nur noch weiße Menschen dort lebten.

Es ist ein schmutziger Wettbewerb: Wer kann wen überbieten, wer bedient die Ressentiments der Wäh­le­r*in­nen­schaft am besten? Noch hat Kemp als Amtsinhaber die Oberhand.

Nach seiner Ansprache auf der Veranda des Grillrestaurants begeben sich die Zu­hö­re­r*in­nen nach drinnen zum Lunch-Buffet. Das Ehepaar Akins hat sich an einen kleinen Tisch gesetzt. Die Lüge vom großen Wahlbetrug zieht bei ihnen nicht: „Trump hat eine Menge guter Sachen gemacht und auch einen guten Job als Präsident“, sagt Doy­le Akins. „Aber er hat eine Linie übertreten, als er versuchte, die Leute zu illegalen Sachen anzutreiben, um die Wahl zu drehen.“

Das Ehepaar ist überzeugt, dass Brian Kemp bei den Primaries siegen wird. Die Umfragen geben ihnen recht, sie zeigen einen komfortablen Vorsprung für den Amtsinhaber. Und dann auch noch das: Trumps Vize Mike Pence hat sich überraschend hinter den 58-Jährigen gestellt und ihm seine Unterstützung ausgesprochen. Brian Kemp sei „einer der erfolgreichsten konservativen Gouverneure Amerikas“, erklärte Pence. Eine Ansage, die ein US-Medium als „politisches Äquivalent eines erhobenen Mittelfingers“ von Pence in Richtung seines alten Chefs Donald Trump beschreibt.

Donald Trump mag sich als Königsmacher sehen. Doch in Georgia könnte ihn eine Klatsche erwarten. „Das ist das Überraschende“, sagt Katherine Hurley. Ab und zu bekomme sie Anrufe von Leuten, die ein Schild der Kan­di­da­t*in­nen für ihren Garten wollten. Kürzlich habe eine Frau aus der Gegend sie angerufen und um eine Tafel mit dem Namen des Gouverneurs gebeten: „Ich habe mein Trump-Schild schon da stehen, jetzt brauche ich noch mein Kemp-Schild“, habe sie gesagt.

Auf Hurleys Frage, wie sie das miteinander vereinbare, habe die Frau geantwortet: „Nun, Trump war mein Präsident. Kemp ist mein Gouverneur.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.