Wenn der Zauber des Anfangs verweht

Taufe und Kommunion knüpfen zwischen der Kirche und ihren Mitgliedern ein enges Band. Doch danach scheint die Bindung zu schwinden – bis zum Austritt?

Meine Eltern ließen uns, als wir schon verständige Kinder waren, die Wahl: Wollten wir uns taufen lassen oder nicht? Für mich war, damals ungefähr siebenjährig, die Sache klar: Ich wollte – vor allem, weil ich unbedingt das weiße Kommunionskleid tragen wollte.

An meine Taufe erinnere ich mich nicht mehr, aber der Tag meiner Erstkommunion ist mir noch präsent: Erstens, wie ich mich kurz vor dem Aufbruch in die Kirche über eine Sahnetorte beugte, deren obere Hälfte an meinem schönen Kleid kleben blieb. Außerdem erinnere ich mich zweitens an einen Festtag, an dem meine gesamte Familie zusammenkam, die weit verstreut über ganz Deutschland lebte.

Am wichtigsten aber war mir wohl das Gefühl, gewachsen zu sein. Im Kommunionsunterricht hatten wir in den Wochen vor der Feier komplexe Dinge behandelt. Wer oder was könnte Gott sein? Wie geht das, ein „guter“ Mensch zu sein? Vor allem besprachen wir Bibelgeschichten, also Geschichten – das beeindruckte mich damals besonders –, die Menschen vor mehreren Tausend Jahren aufgeschrieben hatten, die viele Menschen vor unserer Zeit auch schon gelesen hatten und immer weitertrugen.

Beim Firmunterricht wurden die Gespräche über die großen Fragen offener. Was ist der Sinn des Lebens, was bedeutet Glaube, Gemeinschaft und Kirche? Ich hatte Glück: Unser Pfarrer nahm uns Firmlinge immer ernst und erhob nie den Anspruch, über unsere oder seine eigenen Zweifel erhaben zu sein.

Wenn ich in meinem kirchenkritischen Freundeskreis versuche zu erklären, was das für mich bedeutet hat, erzähle ich es ungefähr so: Wir fanden nicht unbedingt Antworten, aber machten uns eine Zeit lang auf eine gemeinsame Suche. Dabei fingen wir dort an, wo schon viele vor uns Antworten auf diese Fragen gesucht hatten, in alten Texten und Ritualen, mit denselben Fragen, die Menschen vor und nach uns stellen: Wie zurechtkommen in der Welt, mit dem Leben und dem Tod, wie ein Mensch sein, der seinen Mitmenschen ein guter ist? Irgendwo, so denke ich, muss man schließlich anfangen, vielleicht egal wo – in der Moschee, der Synagoge oder der Kirche, im Ethikunterricht oder in Diskussionen an der Dorfbushaltestelle.

In letzter Zeit frage ich mich, wie so viele: Möchte ich aus der Kirche austreten oder nicht? Vordergründig wäre das ein Verwaltungsakt, aber die Entscheidung darüber schiebe ich schon lange vor mir her. Von der katholischen Kirche fühle ich mich nicht vertreten, ich bin schon lange kein aktives Mitglied mehr. Trotzdem bin ich dankbar für die Rolle, die die Kirche in meinem Leben gespielt hat: Sie hat einen ersten Weg angeboten, über mich und die Welt nachzudenken, eine Art spirituelle Grundbildung also – einen Anfang. Luisa Faust